© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/12 09. November 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Genosse Verfassungsschützer
Marcus Schmidt

Wenn es nach dem Willen von Bianca Klose geht, braucht es den Verfassungsschutz eigentlich gar nicht. Viel sinnvoller sei es, bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus endlich die „Expertise der Zivilgesellschaft anzuerkennen“. Was die Leiterin der Berliner Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus damit sagen will: Die zahlreichen linken und linksextremistischen Organisationen im „Kampf gegen Rechts“ können sich, eine angemessene und endlich auf Dauer angelegte Finanzierung vorausgesetzt, viel besser um die Kameraden von der anderen Feldpostnummer kümmern als jede Behörde. Diese stehen sowieso ständig unter dem Verdacht, auf dem rechten Auge blind zu sein.

Für ihre Forderung erhielt die Politologin in der vergangenen Woche bei einem Expertengespräch der SPD-Bundestagsfraktion, das die Konsequenzen der NSU-Mordserie ausloten sollte, viel Beifall. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Frage nach der „Lehre für die Zukunft“, wie es die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christine Lambrecht formulierte. Und diese Zukunft wird nach dem Willen der Sozialdemokraten und ihres zivilgesellschaftlichen Umfelds von einem verschärften „Kampf gegen Rechts“ bestimmt sein.

Denn, so die verbreitete Überzeugung, die NSU-Morde sind nur die Spitze der in Deutschland grassierenden Fremdenfeindlichkeit und des in der Mitte der Gesellschaft angekommenen Rassismus. Daher müßten nicht nur die Strukturen der Sicherheitsbehörden überdacht werden, sondern auch ein Mentalitätswechsel herbeigeführt werden, mahnte der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD). Als Beleg für den angeblichen Rassismus der Polizei wurde angeführt, daß „grundlos“ auch im Umfeld der NSU-Opfer ermittelt worden sei. Dem könnte man nach Ansicht des BKA-Präsidenten Jörg Ziercke künftig etwa durch eine Einstellungsquote für Polizisten mit Migrationshintergrund begegnen – oder wie es eine Mitarbeiterin einer Kampf-gegen-Rechts-Organisation griffig formulierte: „Die Polizei sollte Vielfalt widerspiegeln: hell, dunkel, Mann, Frau.“ Von der Ombudsfrau für die Angehörigen der Opfer, Barbara John, kam der Vorschlag, eine Stiftung für die betroffenen Familien zu gründen. Diese solle es den Angehörige ermöglichen, „in die Sicherheitsbehörden hineinzuwirken“. Was immer das auch heißen mag. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, will das Problem dagegen bei den Wurzeln packen. Schon von klein an müßten Kinder gegen den Rechtsextremismus „immunisiert“ werden.

Mit dem türkischen Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu saß auch ein Vertreter der Regierung in Ankara mit am Tisch. Er berichtete, daß die Türken durch das Versagen der Sicherheitsbehörden ihr Vertrauen in den deutschen Staat verloren hätten. Als Gegenmittel plädierte er dafür, das „multiethnische Leben und die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland“ zu stärken. Dazu gebe es keine Alternative: Schließlich sei das Land durch die demographischen Krise auf mehr Einwanderer angewiesen.

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