© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/12 09. November 2012

„Arbeiter am Gewinn beteiligen“
Österreich: Der Milliardär Frank Stronach schickt sich an, das Parteiengefüge aufzumischen
Reinhard Liesing

Franz Strohsack konnte man nicht heißen, wenn man nach dem Zweiten Weltkrieg als österreichischer Auswanderer in Kanada sein Glück suchen wollte. Weshalb sich der am 6. September 1932 in Kleinsemmering bei Weiz in der Steiermark gebürtige Werkzeugmacher dort kurzerhand Frank Stronach nannte, in Ontario eine kleine Reparaturwerkstatt eröffnete und es mit enormem Fleiß, Geschick und unternehmerischer Fortune zum Industriemagnaten und Milliardär brachte.

Der jedweder Heimattümelei abholde Stronach verlegte vor gut zwanzig Jahren die Leitung seines Magna-Konzerns, dessen Aufsichtsrat auch Franz Vranitzky, Kanzler und SPÖ-Chef von 1986 bis 1997, angehörte, ins niederösterreichische Oberwaltersdorf. Hier übernahm er die traditionsreiche Steyr-Daimler-Puch AG, scheiterte aber beim Versuch, sich über den Erwerb des Bundesanteils an deren Aktienpaket die Voest Alpine Stahl AG einzuverleiben, die unter Vranitzky privatisiert worden war.

Die Enttäuschung darüber hinderte Stronach nicht, 2004 in Ebreichsdorf ein Freizeitzentrum und seine Pferde-Rennbahn „Magna Racino“ zu eröffnen. Zudem engagierte er sich im Fußball, amtierte gar als Präsident der Bundesliga und betätigte sich als Sponsor von Fußballclubs, so der Wiener Austria.

Stronach, der einerseits den Wirtschaftsinternationalisten und -globalisten heraushängen läßt, sich dabei der Bekanntschaft von Jetsettern und Politikern – beispielsweise Bill Clintons – sowie der Journalismus-Legende Larry King rühmt, hat andererseits nichts dagegen, wenn er in den Medien ein „Stoa-Steirer“ genannt wird.

Bisweilen ließ Stronach durchblicken, daß ihn auch die politische Arena seiner Heimat Österreich reizen könnte. Zunächst galt er als „Drahtzieher“ von mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik der großen Koalition aus SPÖ und ÖVP unzufriedenen Unternehmern. In Sonderheit die Unzufriedenen in der österreichischen Industriellen-Vereinigung (IV), die in ihren Zirkeln über eine neue, von ökonomischem Sachverstand geleitete und gesellschaftspolitisch liberale Kraft räsonierte.

Stronach war es, der sich – obschon ohnedies hinter den Kulissen – gefahrloser als andere Verbands- und Wirtschaftskammer-Unternehmer als Politik-Mäzen gerieren konnte. Politische Unbedarftheit konnte man ihm beileibe nicht vorwerfen, hatte er doch schon Ende der achtziger Jahre in Kanada einen Ausflug in die Politik unternommen. Damals war er jedoch als Kandidat der Liberalen gescheitert. Mehr Erfolg hatte indes seine Tochter Belinda, die es zur Unterhausabgeordneten und zur Ministerin brachte.

Daß er sich jetzt in die alpenrepublikanische Politik einmische, dafür hätten ihn Freunde für verrückt erklärt, bekennt Stronach freimütig. Doch er wolle, wie der Achtzigjährige in der von ihm eigens publizitätsträchtig inszenierten Inauguration darlegte, dem Leben – und Österreich – etwas zurückgeben. Und schob während des abendlichen Akts folgerichtig sein ganz persönliches Credo nach: „Heute ist ein sehr wichtiger Tag, der in die Geschichte Österreichs eingehen wird und der auch in die Geschichte der Welt eingehen wird.“

Mit dem solcherart übersteigerten Ego des milliardenschweren Wirtschaftsmagnaten, der sich von der Mission beseelt gibt, nicht nur die großteils als ineffizient und langweilig empfundene Polit-Arena Österreichs aufzumischen, sondern auch das Land „sozialökonomisch“ („Arbeiter am Gewinn beteiligen“) neu zu modellieren, bringt Stronach das gewohnte demoskopische Gefüge gehörig durcheinander.

Wenn man der professionellen Umfrageforschung Glauben schenken darf, so wird die nach ihm benannte Formation „Team Stronach“ zwar nicht gleich stärkste Kraft, wie ihr Gründer vollmundig prognostiziert – „ich trete nicht an, um Zweiter zu werden“ –, gleichwohl aber die hiesige Parteienlandschaft in den 2013 bevorstehenden Landtagswahlen (Tirol, Niederösterreich, Kärnten) kräftig durcheinanderwirbeln. Alle Umfragen trauen ihm aus dem Stand auch den Einzug ins österreichische Parlament zu, den Nationalrat, der im Herbst 2013 neu gewählt wird, und dies sogar mit einem zweistelligen Ergebnis.

Es wird daher einigermaßen spannend zu beobachten sein, wie lange der Hype um Stronach anhält. Normalerweise flaut so etwas in unserer schnellebigen Medienwelt nach einigen Wochen exponential ab. Beobachter erinnern sich der Gründung der Wirtschaftspartei (WIP) durch den Vorarlberger Industriellen Franz Martin Zumtobel 1992, die eine Art österreichische FDP werden sollte – im Jahr darauf war der Spuk vorbei, ohne daß sie zu einer Wahl angetreten wäre.

Im Fall Stronach deutet indes manches darauf hin, daß der SPÖ-gesteuerte, in seiner Berichterstattung tendenziell rot-grün dominierte Österreichische Rundfunk (ORF) und der SPÖ-lastige Boulevard (Krone, heute und Österreich) den medialen Wirbel um den Milliardär aus durchsichtigen Gründen noch länger fortsetzen werden.

Zum einen deuten Umfragen an, daß Stronach den Mitte-rechts-Parteien mehr schadet als jenen des linken Spektrums. Die ÖVP hat ihr Image der Wirtschaftskompetenz-Partei merklich eingebüßt. Stronach bricht unübersehbar ins FPÖ-Monopol ein, EU-Kritik („ÖsterreicherInnen und Österreich werden von der Politik enteignet – Stop ESM“) mehr oder weniger authentisch zu vertreten. Und dem von Jörg Haider gegründeten BZÖ machte er – ob mit oder ohne finanzielle Verlockungen, von denen dessen Vorsitzender Josef Bucher spricht, fünf Abgeordnete abspenstig, so daß das „Team Stronach“, zu dem auch ein vormaliger SPÖ-Abgeordneter fand, nunmehr Fraktionsstärke erlangt und bereits Klub-Status beantragt hat. Der brächte einige Vorteile: So wäre der Fraktionschef Mitglied der Präsidialkonferenz, in der über Geschäftsordnungsfragen entschieden wird.

Zudem hat der Klub Anspruch auf Alimentierung aus der Staatskasse, worauf es Stronach indes kaum ankommen dürfte. Hinsichtlich des bevorstehenden „Superwahljahrs 2013“ ist für ihn die Praxis des ORF viel reizvoller, zu Wahlkonfrontationen die Chefs jener Parteien zu laden, die im Nationalrat vertreten sind, womit ihm qua öffentlich-rechtlicher Anstalt eine höhere Publizität zuteil wird.

Verfassungsrechtler sehen eine Parallele zum einstigen Präzedenzfall Liberales Forum (LiF), jener vom damaligen Parlaments- und heutigen Bundespräsidenten Heinz Fischer (SPÖ) zugelassenen FPÖ-Abspaltung des Jahres 1993, mit der er das von seiner Partei beifällig bedachte Tun der ehemaligen FPÖ-Generalsekretärin Heide Schmidt legitimierte, um den Aufstieg Jörg Haiders zu bremsen – was letztlich aber mißlang. Heute, vier Jahre nach Haiders Tod, ist die SPÖ an Stronachs Vorankommen interessiert, um Heinz-Christian Straches FPÖ, ÖVP und BZÖ das Wasser abzugraben.

Zum andern liegt die Fortdauer des Medienwirbels den linken Parteien umso mehr, als Stronach SPÖ und Grünen ausweislich demoskopischer Befunde kaum schadet. Zum anderen lenkt der Stronach-Wirbel von der längst der Gründungsphase entwachsenen Piratenpartei ab, die vor allem im Wählerteich der Grünen, dem Wunschpartner der Sozialdemokraten, fischt.

Foto: Frank Stronach im Blitzlichtgewitter: Solange der Medienrummel um den Austro-Kanadier anhält, können Grüne und SPÖ frohlocken

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