© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

Demokratische Rechtsextremisten
„Kampf gegen Rechts“: Eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung fördert erstaunliche und angreifbare Ergebnisse zutage
Lion Edler

Wenn die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie über Rechtsextremismus veröffentlicht, ist mit Alarm zu rechnen. „Antidemokratische Meinungen und Vorstellungen“ seien „in einigen europäischen Ländern Normalität“, erklärt das Plakat einer Veranstaltung, bei der die Studie „Die Mitte im Umbruch“ vorgestellt wurde. Eine Grafik zeigt Zustimmungsraten von „rechten“ Ansichten in Europa: „In der Schule sollten Schüler vor allem lernen, was Disziplin bedeutet“, finden 81,3 Prozent der Deutschen – aus Sicht der Stiftung offenbar ein Problem.

Die Zahlen der Studie seien „ganz überwiegend bedrückend“, erklärt dann auch ihr Herausgeber Ralf Melzer. Daß sogar der Stiftungsvorsitzende und ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) zur Vorstellung der Studie erschien, ist für Melzer Ausdruck dafür, daß die Stiftung einen „Schwerpunkt“ auf das Thema lege. Für Struck ist es ein „großer Fehler“, daß der Innenminister kein neues Verbotsverfahren gegen die NPD einleite. Der Stiftungschef warnt in bezug auf Rechtsextremismus, „daß der Samen dafür oft aus der Mitte der Gesellschaft“ komme. Er sei „sehr stolz“ auf die Stiftung, daß sie sich im Gegensatz zu allen anderen Parteistiftungen „systematisch und kontinuierlich“ damit auseinandersetze.

Strucks Selbstbewußtsein erstaunt etwas, da seine Partei in der Studie nicht gut wegkommt: Bei „Ausländerfeindlichkeit“ (24,1 Prozent), „Antisemitismus“ (9,1 Prozent) und „Verharmlosung des Nationalsozialismus“ (3,3 Prozent) liegen die SPD-Wähler in den westlichen Bundesländern vor allen anderen Bundestagsparteien und werden nur von den Wählern rechter Parteien übertroffen.

Für die Studie wurden 2.415 deutsche Staatsbürger und 95 Ausländer befragt. Danach haben neun Prozent der Deutschen ein „geschlossenes rechtsextremes Weltbild“. Die Methoden der Studie sind allerdings angreifbar. So gelten bereits Aussagen wie „Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben“ oder „Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland“ als „rechtsextreme Einstellung“. Je nach Zustimmungsgrad (von „lehne völlig ab“ bis „stimme voll und ganz zu“) werden dann pro Frage ein bis fünf Punkte vergeben. Bei 18 Fragen kann der Befragte demnach zwischen 18 und 90 Punkte erreichen, wobei ab 63 Punkten ein „geschlossenes rechtsextremes Weltbild“ angenommen wird, also bei jenen neun Prozent der Befragten.

Die „rechtsextreme Einstellung“ unterteilt die Studie in die Kategorien Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur (3,5 Prozent der Befragten wird dies attestiert), „Nationaler Überlegensheitsanspruch“ und Chauvinismus (22,9 Prozent), Ausländerfeindlichkeit (25,1 Prozent), Antisemitismus (8,6 Prozent), Sozialdarwinismus (4,3 Prozent) und Verharmlosung des Nationalsozialismus (3,1 Prozent). Erstaunlich: trotz der neun Prozent mit „geschlossenem rechtsextremen Weltbild“ befürworten 94,9 Prozent die Demokratie. Nach Auffassung der Stiftung gibt es also in Deutschland auch demokratische Rechtsextremisten. Nach der Präsentation zeigt ein Wandbild die wichtigste Forderung, die sich aus der Studie ergäbe: „Nach wie vor: höchste Priorität für Kampf gegen Rechts“.

Die Reaktionen aus der Politikbleiben nicht aus: „Weg mit der Extremismusklausel, hin zu einer stärkeren Förderung der Präventionsarbeit“, forderte die SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) erklärte sich das Studienergebnis mit der „Schwäche der Zivilgesellschaft“ in Mitteldeutschland. Zugleich warb er für Verständnis für alle, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten. „Und die darf man nicht des Linksextremismus verdächtigen, nur weil sie sich kämpferisch, gewiß durchaus auch ‘militant’ gegen Rechtsextremismus und Gewalt wehren“, sagte er dem Deutschlandfunk.

Bei der Vorstellung hatte eine Soziologiestudentin eine konkrete Idee, wie dem Problem des Rechtextremismus ganz einfach beizukommen ist: „Früherziehung“ und „Gehirnwäsche“ sei erforderlich, sagte die junge Frau.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen