© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Kleine Schritte aus dem Chaos
Studentenverbindungen: Auf der Verbandstagung der Deutschen Burschenschaft in Stuttgart ist eine Spaltung vorerst abgewendet worden
Werner Becker

Nimmt man das Presseecho nach der Verbandstagung der Deutschen Burschenschaft (DB) am vergangenen Wochenende als Maßstab, dann steht der studentische Dachverband unmittelbar vor der Auflösung, während die Reste stramm in die rechtsextremistische Ecke marschieren. Von „Rechtsruck“ und einer „Allianz der Verfassungsfeinde“ schrieb Spiegel Online, während die Süddeutsche Zeitung einen „Abschied von jeglicher Liberalität“ sieht.

Doch ein genauerer Blick auf die Ergebnisse der Verbandstagung läßt von diesem Alarmismus nicht viel übrig. Wenn die DB auch noch weit von der Normalität entfernt ist, gab es in Stuttgart einige Anzeichen, die darauf hindeuten, daß eine Annäherung zwischen dem als rechts apostrophierten Zusammenschluß der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) und den liberalen und liberal-konservativen Verbindungen der Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ) immer noch möglich ist. „Auch unter dem Gesichtspunkt, daß in Einzelfragen scheinbar stark kontroverse Standpunkte mit viel Herzblut dargestellt und verteidigt wurden, konnten letzten Endes in wichtigen Punkten für alle Seiten vertretbare Lösungen gefunden werden“, faßte der Pressesprecher des Verbandes, Walter Tributsch, die Tagung in Stuttgart zusammen.

Auf ein weitgehend positives Echo, vor allem bei den liberaleren Bünden, stieß die Abwahl des in der Kritik stehenden Schriftleiters der Verbandszeitschrift Burschenschaftliche Blätter, Norbert Weidner. Diesem wurde auf der Tagung unter anderem vorgeworfen, daß er sich während seines Prozesses vor dem Landgericht Bonn gegen einen Bundesbruder, der ihn als „einen der Köpfe einer rechtsextremen Bewegung“ bezeichnet hatte, unangemessen verhalten habe. Zudem seien die letzten beiden Ausgaben der viermal im Jahr erscheinenden Burschenschaftlichen Blätter nicht geeignet gewesen, im verbandsinternen Streit zu vermitteln. In der Öffentlichkeit war Weidner in die Schlagzeilen geraten, weil er den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter und dessen Hinrichtung als „juristisch gerechtfertigt“ bezeichnet hatte. Zum Nachfolger Weidners wurde der Journalist und JF-Autor Michael Paulwitz gewählt.

Eine gewisse Entspannung gab es auch im Streit um die Aufnahmekriterien, der Mitte des Jahres auf dem regulären Burschentag in Eisenach für breites mediales Aufsehen gesorgt hatte. Hintergrund ist ein Antrag zur kompromißlosen Befolgung des „Abstammungsprinzips“, der in den Medien polemisch als „Arierparagraph“ bezeichnet worden war. Bis eine eigens eingesetzte Kommission eine abschließende Lösung gefunden hat, sollen nun bis auf weiteres die Aufnahmebedingungen aus dem Jahr 1971 gelten, nach denen „männliche Studierende an Hochschulen, die Deutsche sind“ in eine Burschenschaft aufgenommen werden können. Über die genaue Auslegung des Begriffes „deutsch“ gibt es indes weiter unterschiedliche Ansichten. „Ich verstehe darunter all jene, die einer deutschen Kulturgemeinschaft zuzuordnen sind, die eine gemeinsame geschichtliche Vergangenheit haben“, sagte Tributsch. Der Sprecher der IBZ, Michael Schmidt, hofft in Konfliktfällen auf Mäßigung: „Uns geht es darum, daß satzungsgemäß aufgenommene neue Mitglieder auch verbandsübergreifend akzeptiert werden.“

Derzeit scheinen mit Blick auf die DB mehrere Szenarien möglich. Noch immer kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Verband weiter zersplittert und in den nächsten Monaten bis zu 20 Mitgliedsbünde austreten. Zudem gibt es offenbar nach wie vor Bestrebungen, einen neuen Dachverband zu gründen. Es scheint nach dem Verbandstag in Stuttgart aber auch immer noch realistisch, daß es zu einer weiteren Annäherung der politischen Lager innerhalb der Deutschen Burschenschaft kommt und am Ende sogar Verbindungen, die der DB bereits den Rücken gekehrt haben, zurückkehren. Bis zum nächsten Burschentag in Eisenach dürfte deutlicher werden, welchen Weg der traditionsreiche Dachverband gehen wird.

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