© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Allerhand Konterrevolutionäres
Günter Maschke legt seine erweiterte Apologie und Polemik über Carl Schmitt vor
Roderich Schmitz

Wenn diese vor exakt einem Vierteljahrhundert zuerst erschienene, lange vergriffene und antiquarisch sehr seltene bedeutendste deutsche Monographie zu Carl Schmitt jetzt in erweiterter Neuauflage wieder lieferbar ist, darf man Grund zum Jubel haben. Denn Günter Maschke hat für seine unbeirrbare Loyalität zu dem umstrittenen Juristen mindestens zweimal schwer, das heißt existenzgefährdend büßen müssen. 1982 stoppte der Kölner Ärzte-Verlag nach 19 Bänden die exquisite, belletristische ebenso wie wissenschaftliche Kostbarkeiten versammelnde „Edition Maschke“, weil in dem photomechanischen Nachdruck des „Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes“ die antisemitischen Passagen der Erstausgabe von 1938 nicht getilgt worden waren.

Und 1985 nahm Maschke endgültig seinen Hut als fester freier Mitarbeiter der FAZ, weil sein als zu emphatisch empfundener Nachruf auf Schmitt daselbst mit einem Gegen-Nekrolog von Dolf Sternberger beantwortet wurde – ein in der bundesrepublikanischen Presse der Nachkriegszeit einmaliger Vorgang.

Letztgenannter Eklat nimmt auch breiten Raum in dem vorliegenden Buch ein, dessen erster Block die Stimmen aus den wichtigsten europäischen Kultursprachen zum Ableben Schmitts vergleichend kommentiert. Der alerten Rezeption in den romanischen Ländern, insbesondere Spanien und Italien, stand damals noch die fast völlige Nichtbeachtung durch die Angelsachsen gegenüber. Als dann 1985/86 plötzlich mehrere Schmitt-Übersetzungen von George Schwab und Ellen Kennedy vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) verlegt werden sollten, zeigte sich der Philosoph Jürgen Habermas alarmiert und holte im Times Literary Supplement (London) zum Präventivschlag aus, mit der Absicht, jedwede unaufgeregte Beschäftigung mit Schmitt unter Faschismusverdacht zu stellen und intellektuell zu kriminalisieren.

Der in diesem Artikel direkt angegriffene Maschke hatte jedoch keinerlei Schwierigkeiten, dem einstigen „Linksschmittianer“ und Parlamentarismuskritiker Habermas detailliert nachzuweisen, daß der noch 25 Jahre zuvor, zum Beispiel in seiner lesenswerten Habilitations-Schrift „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, das genaue Gegenteil erklärt, nämlich vor der Verwechslung von Demokratie mit Liberalismus gewarnt und unter anderem anhand von liberalen Klassikern wie John Stuart Mill oder Alexis de Tocqueville deren „ambivalente Auffassung“, um nicht zu sagen Mißtrauen gegenüber einer „generellen Meinungs- und Wissensbildung“ rekonstruiert hatte.

Zum Teil sarkastisch zeichnet Maschke hier, im zweiten Großabschnitt seines Buches, Habermas’ Weg vom scheinradikalen Halbmarxisten zum „Verfassungspatrioten“ und Apologeten eines juste milieu nach und kontrastiert dieser erstaunlichen Entwicklung – aus Höflichkeit vermeidet Maschke den naheliegenden Terminus „Opportunismus – die stattliche Liste jener deutschen Juden, welche, von Leo Kofler bis Jacob Taubes, sich nicht scheuten, von Schmitt zu lernen, trotz seines „Fehltritts“ 1933 ff., weil sie dem Status quo nicht eben viel abgewinnen konnten.

Auch für Besitzer des Erstdrucks von 1987 lohnt sich der Erwerb dieses Bandes, denn insgesamt 73 Seiten sind seitdem hinzugekommen. Sie enthalten prägnante Verortungen zuhauf, wie man sie nur nach jahrzehntelangem intensiven Studium zu Papier zu bringen vermag. So schreibt Maschke etwa über Schmitts Anti-Liberalismus: Er „wurzelt weltanschaulich im Katholizismus, juristisch im Dezisionismus, politisch im Etatismus, und sein gesellschaftliches Ideal ist die geeinte Nation“. Im Unterschied zu „respektablen“, weil abgehobenen Interpretationen à la Heinrich Meier, die einen möglichst „ent-konkretisierten Carl Schmitt“ voraussetzen, ist Maschkes Darstellung in höchstem Maße geschichtsgesättigt. Der „Situationsdenker“ Schmitt wird vielleicht nirgendwo sonst so plastisch greifbar wie in dessen Reflexionen anläßlich der französischen Ruhrbesetzung 1923, und Maschke widmet seinen diesbezüglichen Aufsatz dem Gedächtnis Albert Leo Schlageters, des „mutigen Soldaten der Konterrevolution“ (Karl Radek).

Maschkes enzyklopädische Bildung, autodidaktisch erworben, sowie sein nicht selten stupender Scharfsinn sind allemal dazu angetan, jedem, der sich diesem vielfach mißverstandenen bis verteufelten Gegenstand unbefangen und neugierig zuwendet, eine überaus anregende Lektüre zu bescheren.

Günter Maschke: Der Tod des Carl Schmitt. Durchgesehene und um Texte aus den Jahren 1988–2007 vermehrte Ausgabe. Karolinger Verlag, Wien 2012, broschiert, 224 Seiten, 22 Euro

Foto: Günter Maschke, Frankfurt 1995: Geschichts-gesättigte Darstellungen des Plettenberger Staatsrechtlers

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen