© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Die Angst vor Frankenstein
Hirnforschung und die ethischen Grenzen
Konrad Gill

Wenn Fragen von Hirnforschung und Ethik behandelt werden, ist Verunsicherung und Angst nicht weit – mit einem gewissen Recht. Zukunftsaussichten wie die Implantierung von Mikrochips ins Gehirn, die Entwicklung unfehlbarer Lügendetektoren und die Fernsteuerung von Menschen – an Ratten bereits erfolgreich erprobt – stellen die Kontrollmechanismen so mancher Dystopie in den Schatten.

Eine Expertin für das interdisziplinäre Forschungsgebiet zwischen Philosophie, Medizin und Technik hat nun eine gut lesbare Einführung in das komplexe Thema vorgelegt. In ruhigem Tonfall stellt die Mainzer Privatdozentin die teils erbittert geführten Diskussionen dar, etwa um Willensfreiheit, Hirntransplantationen und die Verantwortung für in ihrer Willensbildungsfähigkeit eingeschränkte Patienten. Wertungsfrei erläutert sie vorgebrachte Argumente und weist auf Schwachstellen in derzeit modischen philosophischen Erklärungsmodellen. Wenn sie doch einmal Stellung bezieht, geschieht auch dies ohne Eifer.

Neben der Frage von Willensfreiheit und Determinierung widmet Hildt dem „Neuroenhancement“, also der Leistungs- oder gar „Charakterverbesserung“ durch Eingriff in Hirnabläufe einen Schwerpunkt des Buchs. Deutlich skeptisch bespricht sie die Möglichkeiten technisch-operativer Eingriffe wie die Verpflanzung von Hirngewebe, Stammzellen oder ganzen Hirnteilen und weist auf deren weitgehende Irreversibilität hin: Patienten müssen meist für immer mit den Konsequenzen dieser Operation leben. Dagegen bewertet die Autorin die Risiken und Chancen pharmakologischer Eingriffe wegen ihrer besseren Kontrollierbarkeit weit positiver. Auch hier verschweigt sie indes nicht die Gefahren von „Partydrogen“ und rezeptpflichtigen „Lernhilfen.“

Neben kleineren Ungenauigkeiten stört am Buch letztlich nur der unausgewogene Aufbau, denn neben interessanten Kapiteln stehen Texte über derzeit rein theoretische Fälle wie Kopfverpflanzungen, wobei die Erörterung der hypothetischen ethischen Probleme leider über die Maskierung der eigenen Ratlosigkeit nicht weit hinauskommt. Ein Glossar mit Fachausdrücken rundet das insgesamt dennoch empfehlenswerte Buch ab.

Elisabeth Hildt: Neuroethik. Verlag Ernst Reinhardt, München/Basel 2012, broschiert, 112 Seiten, Abbildungen, 14,99 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen