© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Frisch gepresst

Ludwig Uhland. Über das literarische Multitalent Ludwig Uhland, der vor 150 Jahren, am 13. November 1862 in Tübingen starb, trägt der Stuttgarter Germanist Hartmut Fröschle Lobgesänge in Fülle zusammen, die den Verdacht nähren, in dieser Biographie begegne man dem größten Schwaben zwischen Schiller und Rommel. Wenn darüber auch abweichende Meinungen zulässig sind – schließlich wären da noch Hegel und Heuss –, so lädt Fröschles Dokumentation der Rezeptionsgeschichte des Mannes, den man ebenso treffend den „Hausgeist des deutschen Volkes“ wie den „konservativen Revolutionär“ nannte, jedenfalls zur anregenden mentalitätshistorischen Entdeckungsreise ins 19. und 20. Jahrhundert ein. Zu Fröschles vergnüglichsten Fundstücken zählt eine angstschlotternde Anfrage aus Richard von Weizsäckers (noch ein Schwabe!) Bundespräsidialamt ans Volksliedarchiv im badischen Freiburg, welche womöglich NS-kontaminierte „Aufführungstradition“ denn Uhlands Lied vom guten Kameraden habe. Passe dieses Liedgut noch in die Gedenkkultur der Berliner Republik? Zumindest für jene „dem Zeitgeist Verhafteten“ definitiv nicht, die, wie Fröschle seufzt, darüber glücklich sind, „daß Deutschland im postnationalen Idealzustand“ der „Selbstentmachtung“ angekommen sei. (nw)

Hartmut Fröschle: Hausgeist des deutschen Volkes. Eine Wirkungsgeschichte Ludwig Uhlands in Zitaten. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2012, broschiert, 388 Seiten, 39,90 Euro

 

Holocaust. Als Zvi Harry Likwornik sieben Jahre alt ist, fragt er sich, „ob Gott krank sei oder Urlaub genommen habe“. Denn für den jüdischen Jungen aus dem Czernowitzer Bürgermilieu erscheinen die Umstände der Verfolgung und Entrechtung völlig irreal. Unmittelbar nachdem die Rote Armee die 1940 okkupierte Stadt in der Bukowina räumt, beginnt für die Juden ihr Leidensweg. Rückblickend als heute fast 80jähriger schildert der seit 1948 in Israel lebende Likwornik – nach der hebräischen Ausgabe nun auch in seiner „Muttersprache“ auf deutsch vorliegend – ebenso nüchtern wie ergreifend, wie seine Familie 1941 die Pogrome rumänischer Nachbarn, die Einpferchung im Czernowitzer Ghetto durch deutsche Einsatzgruppen, den winterlichen Todesmarsch von 200 Kilometern, bei dem sein Vater stirbt, und den über zweijährigen Lageraufenthalt südöstlich von Winniza erlebte. (bä)

Zvi Harry Likwornik: Als Siebenjähriger im Holocaust. Hartung-Gorre Verlag, Konstanz 2012, broschiert, 210 Seiten, Abbildungen, 18 Euro

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