© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/12 07. Dezmber 2012

127.000 vermeintlich Selbständige erhalten Hartz-Leistungen
Aufgestocktes Wunder
Jörg Fischer

Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung“, behauptet Sozialministerin Ursula von der Leyen. Und mit etwa 2,8 Millionen ist die offizielle Arbeitslosenzahl in der Tat vergleichsweise niedrig. Die Arbeitslosenquote ist mit 6,5 Prozent lediglich halb so hoch wie 1997. Doch seither wurde nicht nur das Arbeitsamt in „Jobcenter“ umbenannt, sondern auch die Statistik munter „reformiert“. Hunderttausende, die unter ihrem CDU-Parteifreund Norbert Blüm noch als arbeitslos galten, werden heute nicht mehr mitgezählt. Dagegen gab es laut Statistischem Bundesamt 2011 etwa 6,1 Millionen „Empfänger von Grundsicherung nach dem SGB II“.

Zu von der Leyens „Jobwunder“ zählen auch 127.000 „Selbständige in der Grundsicherung“, wie aus einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht. Diese sogenannten Aufstocker verdienen durch ihre Geschäftsidee so wenig, daß sie Hartz-IV-Leistungen benötigen. 20 Prozent der angeblich Selbständigen sind Ausländer, in der Gesamtbevölkerung liegt der Ausländeranteil nur bei 8,8 Prozent. Über ein Viertel der selbständigen Aufstocker beschäftigt sich mit „Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern“, je zehn Prozent sind im Grundstücks- und Wohnungswesen oder dem Gastgewerbe tätig. Mehr als drei Viertel sind als „Ich-AG“ ohne Mitarbeiter tätig.

„Insgesamt scheint es einen Kern an selbständigen Aufstockern zu geben, die über mehrere Jahre hinweg in diesem Zustand verbleiben“, schreibt das IAB – sprich aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden. Doch wer zahlt für die Zahlenkosmetik? Diejenigen, deren selbständige oder abhängige Tätigkeit so tragfähig ist, daß sie Steuern und Sozialabgaben zahlen. Sie müssen sich ohne Hartz-Zuschüsse über Wasser halten und gleichzeitig ihre eigene Billigkonkurrenz – „nicht tragfähige Ein-Personen-Selbständigkeiten“ (IAB) – mitfinanzieren. Verrückter geht’s nicht – oder doch?

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