© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/12 07. Dezmber 2012

Zeitschriftenkritik: Arbeiterstimme
Kommunisten zum Kapitalismus
Werner Olles

Nachdem im Jahr 2007 in den USA die Immobilienkredite platzten, setzte eine weltweite Finanzkrise ein, die bis heute nicht ausgestanden ist. Global agierende Banken und Finanzmärkte wurden durch Deregulierungen immer mächtiger, und der eigentlich segensreiche Investitionskapitalismus entartete zu einem hemmungslosen Spekulationskapitalismus, der mit Sozialer Marktwirtschaft kaum noch etwas zu tun hat. Ständig wurden neue Finanzinstrumente erfunden, deren Nutzen mehr als fragwürdig war. Risiken wurden kleingeredet, die grenzenlose Verschuldung privater wie öffentlicher Haushalte wurde zum Regelfall. Geschäfts- und Landesbanken, Hedgefonds und Versicherungen gingen ungeahnte Risiken ein, und Geld, das eigentlich gar nicht vorhanden war, bewegte sich immer schneller rund um die Welt. Ob Rohstoffe, Immobilien oder undurchschaubare Finanztransaktionen, die internationalen Spekulanten machten vor nichts halt.

Angesichts dieser desaströsen Zustände, in denen sich das Gesicht des Kapitalismus dramatisch veränderte und der Finanzsektor noch nie in seiner Geschichte auch nur ansatzweise ein so großes Gewicht innerhalb der Gesamtwirtschaft hatte, wie in der derzeitigen Epoche, müßte die radikale Linke eigentlich triumphieren. Doch trotz Staatsschulden- und Euro-Krise und trotz der rasantesten Talfahrt der Weltwirtschaft seit 1930 herrscht hier eher die blanke Tristesse.

So läßt die vierteljährlich erscheinende Arbeiterstimme – Untertitel: „Zeitschrift für marxistische Theorie und Praxis“ in ihrer aktuellen Ausgabe (Nr. 177, Herbst 2012) in ihrem Leitartikel statt eigener Autoren mit Ernst Lohoff und Norbert Trenkle zwei Verfasser zu Wort kommen, die dem wertkritischen Kreis um die Zeitschrift Krisis zuzurechnen sind. Vorsorglich weist die Redaktion im Editorial aber schon einmal darauf hin, daß man mit „allzu apodiktischen Aussagen“ der „Krisis“-Autoren „nicht übereinstimme“. Was andererseits auch ein Wunder wäre, denn bei der Arbeiterstimme herrscht in der Regel eine eher schlichte Ideen- und Gedankenwelt vor, die von den hochfliegenden Theorien der „Krisis“-Intellektuellen meilenweit entfernt ist.

Die Lektüre ihres Beitrags „Auf der Mülldeponie des fiktiven Kapitals“ lohnt sich jedoch durchaus, viele Argumente sind nachvollziehbar, ob es sich um die Mutation der Zentralbanken zu „Bad Banks“ mit einem riesigen Inflationspotential oder den paradoxen regierungsamtlichen Doppelkurs aus Sparpolitik und Verschuldung handelt. Auch ihrer Schlußfolgerung, daß die Gesellschaft mit der dritten industriellen Revolution eine Schwelle erreicht hat, „an der sie zu produktiv für den armseligen Selbstzweck der Werteverwertung geworden ist“, kann man kaum etwas entgegensetzen.

Kritisch geraten sind auch die Beiträge über die „gefrorene Revolution“ in Nordkorea sowie die geopolitischen Hegemonieträume und osmanisch-islamisch-pantürkischen Großmacht-Ambitionen der Türkei.

Kontakt: Thomas Gradl. Bucherstr. 20, 90408 Nürnberg. Das Einzelheft kostet 3 Euro, das Jahresabo für vier Ausgaben 13 Euro.

www.arbeiterstimme.org

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