© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/12 07. Dezmber 2012

Ein Konservativer aus Karlsbad
70. Geburtstag: Gernot Facius hat „Die Welt“ lange geprägt und stets an die Wiedervereinigung geglaubt
Ronald Gläser

Als er 1976 seinen Arbeitsvertrag bei der Welt unterschrieb, schüttelten seine Bonner Pressekollegen nur mit dem Kopf. „Warum machst du sowas? Die halten doch nicht mehr lange durch.“ Zu diesem Zeitpunkt gab es hinter vorgehaltener Hand viele Gerüchte um die angeblich schlechten Zukunftsaussichten des Vorzeigeblattes. 2012 gibt es die Welt immer noch.

Und kaum einer hat das konservative Gesicht der Zeitung in den neunziger Jahren so geprägt wie Gernot Facius, der bis 2000 stellvertretender Chefredakteur war. Noch heute ist er der Zeitung verbunden und schreibt überwiegend Artikel über sein Spezialgebiet: Christentum und Kirchenfragen.

Facius wurde 1942 in Karlsbad geboren. Der Vater hatte den Krieg unbeschadet überstanden, wurde aber von den Tschechen zu jahrelanger Zwangsarbeit in Prag verurteilt. Die Familie bestand darauf, in seiner Nähe bleiben zu können und zog daher in die tschechische Hauptstadt. Sie harrte aus, bis der Vater freikam. Erst 1949 floh sie nach Hessen. Die Amerikaner hätten sie nach dem „illegalen Grenzübertritt“ beinahe verurteilt. Zu seinen ersten Kindheitserinnerungen gehört der Prozeß vor einem amerikanischen Militärgericht.

Seine journalistische Kariere begann er beim katholischen Fränkischen Volksblatt und dem Gießener Anzeiger, bevor er fünfeinhalb Jahre als Rundfunkredakteur in Frankfurt arbeitete. Sein Wechsel zur Welt sollte sich schließlich als entscheidender Meilenstein seiner journalistischen Karriere erweisen. Schon bald gehörte Facius zum Vertrauenskreis von Axel Springer. Doch auch die harte Politik war ihm nie fremd. 1980 leitete er etwa das Wahlkampfbüro von Franz Josef Strauß.

Obwohl die meisten Politiker schon nicht mehr an die Wiederverernigung glaubten, gab Facius die Hoffnung nie auf. Als schönsten Moment in seiner Laufbahn bezeichnete er später „ohne Zweifel den Fall der Mauer“. Mehr als einmal kehrte Facius danach in die alte böhmische Heimat zurück, die er bis heute nicht vergessen kann.

1997 begleitete er Helmut Kohl bei seiner Reise nach Prag und saß dort bei einem Bankett mit einem Tschechen zusammen. Der fragt ihn, ob er Prag kenne. Facius berichtete von der Zwangsarbeit seines Vaters und seiner unfreiwilligen Wartezeit in der tschechischen Hauptstadt. Danach wurde es still. „Es war ein bißchen so, wie wenn man als Deutscher im Ausland einem Holocaust-Überlebenden begegnet“, berichtet er mit nachdenklichem Gesichtsausdruck.

Facius, der seit einigen Jahren auch für die JUNGE FREIHEIT schreibt, hat fünf erwachsene Kinder und lebt heute mit seiner Frau in Bonn. Am 6. Dezember feiert er seinen 70. Geburtstag.

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