© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/12 07. Dezmber 2012

Umwelt
Tierische Krisen
Volker Kempf

Gott müsse den Menschen unmittelbar geschaffen haben, glauben die Kreationisten und weisen damit die Evolutionstheorie von Charles Darwin brüsk zurück. Und warum sollen wir uns mit Affen vergleichen? Wir sind doch Gottes Ebenbilder. Die Gegenposition vertritt Desmond Morris; der britische Zoologe meint, der Mensch sei ein „nackter Affe“. Ganz nackt ist der Mensch freilich nicht, auch ihm können sich die Nackenhaare sträuben. Wenn sich jemandes Nackenhaare sträuben, so ist das eine evolutionsbedingte Reaktion, die einen daran hindert, anderen Argumenten gegenüber offen zu sein. „Allzumenschlich“, würde der Philosoph Friedrich Nietzsche da sagen. Mensch zu sein ist nicht einfach. Je weiter Verhaltensweisen evolutionsgeschichtlich zurückreichen, um so schwerer sind sie zu ändern.

Nach neuesten Studien gilt das etwa für die sogenannte Midlife-Crisis. Denn auch unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, würden häufig unter einer solchen Krise leiden. Das heißt, es reicht nicht, die besagte Lebenskrise auf zivilisatorische Umstände zurückzuführen und in bestimmten Punkten heilbringend ändern zu wollen. Schade. Wir sind also biologisch alle mehr oder weniger „nackte Affen“. Das schließt nicht aus, daß sich der Mensch geistig über das Animalische in sich selbst erhebt. Aber der Mensch ist nun einmal kein reines Geistwesen, dies bleibt den Engeln vorbehalten. Zwangsläufig sündigt der Mensch. Der Mensch kann den Erfordernissen des Geistes also nie genügen, aber sich am Geiste orientieren und dadurch ein klein wenig zur Vernunft kommen. In aller Bescheidenheit meinte der Verhaltensforscher Konrad Lorenz daher: „Das Bindeglied zwischen Tier und Mensch, das sind wir.“ Die Evolution ist noch keinen Schritt weiter. Vielleicht kommt das noch, aber wahrscheinlich eher im Himmel als auf Erden.

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