© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Die „Kirche“, aus der keiner austreten kann
GEZ: Ab dem 1. Januar 2013 gilt die neue pauschale Rundfunkgebühr. Wer Pech hat, muß bald mehr als doppelt soviel wie bisher zahlen
Christian Schreiber

Sie sind so beliebt wie Termine beim Zahnarzt. Viele Bundesbürger haben sie schon einmal erlebt. Die Besuche der „freundlichen“ Mitarbeiter der Gebühreneinzugszentrale (GEZ). Diese Vollstrecker der staatlichen Rundfunkanstalten klopften jahrzehntelang an die Wohnungstüren der ganzen Republik, um nicht angemeldete Fernseh- oder Radiogeräte aufzuspüren.

Wer die Zahlung verweigerte, sah sich hartnäckigen Anschreiben ausgesetzt, gerichtlich durchgesetzt hat die GEZ ihre Ansprüche allerdings fast nie. Bisher gab es immer ein Tauziehen um die Anzahl der angemeldeten Geräte. Wie viele Fernsehgeräte sind in einer Wohnung? Gehört das Autoradio dazu? Und was ist mit Laptops und mobilen Geräten, die über einen Fernsehempfang verfügen. Im Zweifel hat die GEZ für alles kassiert.

Doch damit ist es im neuen Jahr vorbei. Denn der Beitrag von 17,98 Euro im Monat wird künftig pro Wohnung erhoben – unabhängig davon, wie viele TV-Geräte, Radios, Computer oder Smartphones vorhanden sind, auch unabhängig von der Zahl der Bewohner. Zahlen müssen alle – auch wenn sie weder fernsehen noch Radio hören, und selbst dann, wenn sie keine Empfangsgeräte besitzen. Über siebeneinhalb Milliarden Euro haben die GEZ-Mitarbeiter, die in Wirklichkeit bei den Landesrundfunkanstalten beschäftigt waren, pro Jahr eingetrieben. Geld, das nach einem Verteilungsschlüssel an die verschiedenen öffentlich-rechtlichen Sender ausgeschüttet wird (siehe Grafik), davon zum Großteil an die ARD mit ihrem riesigen Apparat und allein neun Intendanten (die zum Teil mehr verdienen als ein Bundeskanzler), Programmdirektoren und Fernsehchefs. Experten sagen voraus, daß der Geldfluß noch ansteigen wird.

Doch die Behörde selbst gibt allen Ernstes an, sie könne keine Prognose über die zu erwartenden Änderungen machen. Alleine dies läßt darauf schließen, daß die Zugewinne beträchtlich sein werden.

Aber Ärger ist bereits vorprogrammiert. Bisher ging man davon aus, daß in Großstädten bis zu 20 Prozent der Haushalte die Zahlung verweigerten. Besonders in Universitätsstädten mit vielen Wohngemeinschaften von Studenten war die Zahl der „Schwarzseher“ hoch. Doch was ist mit den Leuten, die bisher komplett auf Radio und Fernsehen verzichtet haben und dadurch von der Zahlung befreit waren? Auch sie werden ab Januar 2013 zur Kasse gebeten. Schon im Juli dieses Jahres hat eine Privatperson genau aus diesen Gründen gegen die neue Regelung geklagt. Derzeit häufen sich im Internet Aufrufe zu Sammelklagen gegen die neue Zwangsabgabe. Die Rundfunkanstalten halten mit einer Imagekampagne dagegen. Derzeit melden sich landauf, landab die Intendanten zu Wort und preisen die Vorzüge des neuen Modells. „Der neue Rundfunkbeitrag ist ein zeitgemäßer Schritt, denn zwischen Gerätearten zu unterscheiden wird immer schwieriger“, heißt es in einer Information der GEZ. Die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks basiere auf einem Solidarmodell, zu dem alle ihren Beitrag leisteten.

Doch dies halten die Gegner für Augenwischerei. Im Netz finden sich mittlerweile Organisationen wie die „Gruppe der Fernsehlosen“ oder „Online-Boykott“. „Hier soll eine Beitragspflicht auf Dauer zementiert werden“, sagte Betreiber René Ketterer Kleinsteuber gegenüber der Märkischen Allgemeinen. Für die junge Generation sei inzwischen nicht mehr das Fernsehen, sondern das Internet Leitmedium.

Der Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auf den sich die Gebührenpflicht stützt, sei damit hinfällig. „Bildungsprogramme können heute ins Internet gestellt und jederzeit abgerufen werden“, erklärt er, „das ist billiger und wirksamer. Und es ist nicht akzeptabel, wenn jemand mit 750 Euro Monatslohn per Zwangsgebühr Großverdiener wie Thomas Gottschalk und Günther Jauch alimentieren muß.“

Dieser fade Beigeschmack bleibt, auch wenn sich die Behörde im Zuge der Aufhübschung sogar einen neuen Namen verpassen wird. Künftig nennt sich die Mammutanstalt „ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice“ und stellt sogar noch 400 neue Mitarbeiter ein.

Verändern könnte sich auch das Selbstverständnis der Behörde. Bisher war man sehr vorsichtig mit dem Einklagen von ausstehenden Geldern, fürchtete man doch die Niederlage in einem öffentlichkeitswirksamen Musterprozeß. Der renommierte Medienexperte Dieter Weirich, bis 2001 Intendant der Deutschen Welle und zuvor (1980 bis 1989) CDU-Bundestagsabgeordneter, kämpft seit Jahren gegen die Zwangsabgabe: „Man kann nur hoffen, daß die angekündigten Klagen gegen diese Abgabe Erfolg haben werden. Wenn es bei der Zwangsgebühr bleibt, dann könnte diese auch von den Finanzämtern eingetrieben werden. Wie bei der Kirchensteuer. Der eingesparte Millionenaufwand sollte für das Programm verwendet werden“, sagte er gegenüber der Frankfurter Neuen Presse.

Durch die staatliche Neuregelung und deren Billigung durch die Parlamente könnte der Beitrag auch gerichtlich eingetrieben werden. „Mit dem Urteilsspruch ‘eine Wohnung, ein Beitrag’ gibt es von 2013 an nur noch die Möglichkeit, aus der Kirche auszutreten, doch nie mehr aus der Finanzierung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, ätzt der Berliner Tagesspiegel. 1.320 Mitarbeiter wird die in den Räumen des WDR in Köln ansässige Behörde bis zum Jahr 2015 beschäftigen. Die werden hauptsächlich damit beschäftigt sein, die Bürger „elektronisch abzutasten“: Ein Entkommen gibt es kaum. Nur die Hoffnung auf einen Richterspruch aus Karlsruhe.

Vor dem Bundesverfassungsgericht häufen sich die Klagen. Doch die Landesanstalten geben sich gelassen. „Das hat keine Chance“, frohlockt der Bayerische Rundfunk auf seiner Internetseite.

www.rundfunkbeitrag.de

www.facebook.com/GEZ.Boykott

www.online-boykott.de

 

Rundfunkgebühren: Was sich ab kommendem Jahr ändert

Seit 1976 nimmt die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) das Geld für ARD, ZDF und Deutschlandradio ein. Bisher betrug die monatliche Rundfunkgebühr 5,76 Euro (für alle, die ein Radio und/oder einen internetfähigen Computer) nutzten. Wer auch ein Fernsehgerät gemeldet hatte, mußte monatlich 17,98 Euro zahlen. Mit der 2010 auf Initiative des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof beschlossenen und ab 1. Januar 2013 gültigen Pauschale ist dieser Betrag jetzt von allen zu entrichten, die irgendein Empfangsgerät besitzen (geräteunabhängige Rundfunkabgabe). Waren Gehörlose und Blinde von der Gebühr bislang befreit, müssen sie künftig monatlich 6 Euro zahlen (ausgenommen jedoch Taubblinde). Wer Hartz IV bezieht oder als Student BaföG bekommt, kann sich von der Pauschale befreien lassen. Zwar setzt die nun in „Beitragsservice“ umbenannte GEZ keine Gebührenfahnder mehr ein, unternimmt jedoch einen umfassenden Datenabgleich mit den Einwohnermeldeämtern. Wer nicht gezahlt hat, bekommt also demnächst Post ...

Literatur zum Thema: Hans-Peter Siebenhaar: Die Nimmersatten. Die Wahrheit über das System ARD und ZDF. Eichborn Verlag 2012, 240 Seiten, 14,99 Euro

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