© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

„Selbstmord vor laufenden Kameras“
Frankreich: Der Machtkampf zwischen Fillon und Copé setzt das Renommee der UMP aufs Spiel / Front National als Nutznießer
Friedrich-Thorsten Müller

Die UMP wollte alles richtig machen. Darum rief sie am 18. November ihre 300.000 Mitglieder zur Urwahl des neuen Vorsitzenden der französischen Bürgerlichen auf, nachdem sich der abgewählte Präsident, Nicolas Sarkozy, zumindest vorläufig aus der Politik zurückgezogen hatte. Was sich gleichwohl seitdem in aller Öffentlichkeit abspielt, bestärkt sicher all diejenigen, die es vorziehen, Parteivorsitzende von einer überschaubaren Anzahl Delegierter wählen zu lassen.

Zunächst schien noch alles klar, die Zählkommission rief Jean-Francois Copé, den Vertreter des rechten Partei-Flügels, zum Wahlsieger aus. Doch damit wollte sich François Fillon, der frühere französische Premierminister, nicht abfinden. Es kam zum Streit bezüglich der Wertung der Stimmen von UMP-Mitgliedern aus den Überseegebieten, und weiter warfen sich die Lager wechselseitig Wahlunregelmäßigkeiten vor. Fillon schickte sogar Gerichtsvollzieher in die Parteizentrale in der Rue de Vaugirard, um die Wahlunterlagen sicherzustellen. Die Wahlleitung stieß bei diesen Konflikt schnell an ihre Grenzen. Neuauszählungen bestätigten zwar das Ergebnis – nun mit einem Vorsprung von sogar 952 statt 98 Stimmen für Copé. Doch wollte sich damit der liberale Flügel weiterhin nicht abfinden.

Was folgte, waren Schlichtungsversuche durch prominente Parteimitglieder. Zunächst war UMP-Mitbegründer und Ex-Premier Alain Juppé an der Reihe, der aber keinen Kompromiß erreichen konnte. Daraufhin traf sich der frühere Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit François Fillon zum Abendessen und erreichte bei diesem die Zustimmung zu einer Mitgliedervotum mit der Frage, ob neu gewählt werden soll. Da sich aber zwischenzeitlich in der Nationalversammlung 68 Fillon-Anhänger mit einer eigenen Fraktion von der UMP (danach noch rund 120 Mitglieder) abgespalten hatten, schaltete nun Jean-François Copé auf stur und lehnt jede Mitgliederbefragung ab, solange die neue Fraktion Rassemblement-UMP nicht wieder in den Schoß der UMP-Fraktion zurückkehrt.

Geradezu erstaunlich ist, daß vor dem Hintergrund dieser Schlammschlacht die Bürgerlichen am Wochenende trotzdem drei Nachwahlen gewinnen konnten. Dies liegt aber nur daran, daß Frankreichs Sozialisten nach ihrem sensationellen Wahlerfolg im Juni in kürzester Zeit auf dem Boden der wirtschaftlichen Realität angekommen sind. Trotzdem profitiert die Linke insgesamt davon, daß die UMP derart mit sich selbst beschäftigt ist und dem linken Projekt der vollwertigen Homoehe nur wenig Aufmerksamkeit schenkt. Selbst in den Medien wird das Thema Homoehe vom allgegenwärtigen Streit in der UMP, den der konservative Figaro einen „Selbstmord vor laufenden Kameras“ nennt, an den Rand gedrängt, obwohl sich selbst bei den Sozialisten Widerstand bemerkbar macht.

Aber auch Marine Le Pens Front National sieht sich als Nutznießer dieses bürgerlichen Zerwürfnisses: Zwischenzeitlich habe sich die Zahl der täglichen Neueintritte in die Partei auf bis zu 600 vervierfacht. Süffisant sieht die Vorsitzende im FN im Unterschied zur UMP eine Partei, der es um die Sache gehe und nicht um Pöstchen für ihre Mitglieder.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen