© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Ein gesunder Immobilienmarkt mit sozialen Verwerfungen
Euro-Flüchtlinge
Jens Jessen

Das ARD-Magazin „Report“ stellte kürzlich Immobilienbesitzer an den Pranger. Mieterhöhungen in deutschen Metropolregionen sollten verboten werden, so die Botschaft. Andererseits gibt es für fast jede zehnte Wohnung in Deutschland keinen Mieter mehr, insbesondere in Mitteldeutschland, meldet das Statistische Bundesamt. Wohnen in Deutschland ist aber im internationalen Vergleich immer noch günstig. Mieten und Häuserpreise sind niedriger als bei den meisten EU-Nachbarn.

Da aber immer mehr Bürger in die Metropolen drängen, steigen die Mieten und Häuserpreise. Ein Drittel der Konsumausgaben geht dort im Schnitt für Wohnung und Betriebskosten drauf. Der Trend zu kleineren Haushalten verschärft die Wohnungsknappheit in attraktiven Ballungsgebieten. Zwischen 2002 und 2010 stieg die Haushaltszahl von 38,7 auf 40,3 Millionen. Für 2025 wird mit 41,1 Millionen Haushalten gerechnet. Der Mieterbund schätzt, daß derzeit 250.000 Mietwohnungen fehlen.

Im ländlichen Raum stagnieren die Mieten. Die dort ansässigen Familien müssen sich aber einen Zweitwagen anschaffen, damit sie der oft unterentwickelten Infrastruktur – vom Gesundheitswesen bis zu Freizeitangeboten – entfliehen können. Ins Umland geflüchtete Großstadtbewohner stellen fest, daß die hohen Spritpreise den günstigen Mietpreis in Entfernungen von 50 Kilometer und mehr zum Arbeitsplatz aufzehren. Statt Zweitwagen und Fahrtkosten sind in Großstädten eben höhere Mietkosten fällig. Abgesehen von einzelnen Auswüchsen sind die deutschen Immobilienmärkte trotz aktuell steigender Preise gesund. Sie drücken allein die große Nachfrage aus. Von Januar bis September genehmigten die Behörden den Bau von 178.100 Wohnungen. Das waren 6,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und so viele wie seit 2006 nicht mehr. Auch für Eigentumswohnungen steigen die Preise, denn nicht nur Anleger aus dem Süden Europas wollen in der Euro-Krise ihr Erspartes sicher anlegen und vor Inflation schützen. In den anderen europäischen Metropolen benötigen die Berufstätigen für die Anfahrt zum Arbeitsplatz häufig ein bis zwei Stunden. In Deutschland gilt eine Stunde Fahrtzeit schon als Zumutung. In London zahlen manche Mieter pro Quadratmeter 80 Euro monatlich. Bei Kauf sind 9.200 Euro pro Quadratmeter fällig. In Paris müssen pro Quadratmeter 38 Euro Miete im Monat oder rund 11.300 Euro bei Kauf auf den Tisch gelegt werden.

Ein vergleichbares Objekt in München liegt im beliebten Glockenviertel bei einer Miete von 16 Euro pro Quadratmeter. Erst wenn die Immobilienpreise über längere Zeit schneller als die Mieten steigen würden, drohte eine Immobilienblase und ihre Korrektur. Nur Hamburg und München zeigen diese Tendenz, die allerdings im internationalen Vergleich bislang sehr moderat ist.

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