© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Spiegel TV spart und streicht Stellen
TV-Markt gnadenlos: Obwohl die Hamburger Produktionsfirma gute Arbeit leistet, regiert jetzt der Rotstift
Nils Wegner

Die gute Nachricht für den Spiegel kam in der vergangenen Woche aus Venedig. Dort gewann der Spartenkanal Spiegel TV Wissen als einziger deutscher Sender einen Fernsehpreis, nämlich den Eutelsat TV Award für den besten neuen Sender.

Ansonsten hagelte es überwiegend schlechte Nachrichten für die Spiegel- Gruppe, die wohl nur deswegen so wenig Staub aufwirbelten, weil der Katzenjammer über den Niedergang von Frankfurter Rundschau und Financial Times Deutschland alles andere thematisch überdeckt.

Der Umsatz des Spiegel sinkt laut der Branchenzeitschrift Horizont im laufenden Jahr um fast sechs Prozent auf 307 Millionen Euro – und damit auf das Niveau des Jahres 2003. Der Geschäftsführer Ove Saffe rechnet wohl auch künftig mit rückläufigen Umsätzen. Sparmaßnahmen für den gesamten Betrieb sind angekündigt.

Im Falle von Spiegel TV ist auch schon bekannt, was das genau bedeutet: Nachdem bereits 2011 satte 15 Prozent der Belegschaft hatten gehen müssen, gab die Spiegel TV GmbH Mitte November bekannt, weitere 26 der rund 150 Vollzeitstellen in Redaktion und Produktion streichen zu wollen. Bereits zehn Tage und etliche aufgeschreckte Berichte anderer Medien später korrigierte eine Sprecherin der Spiegel-Gruppe die Zahl der aufzuhebenden Stellen dem Hamburger Abendblatt gegenüber auf 40 nach oben. Auch von beträchtlichen Gehaltseinbußen der Belegschaft (zehn Prozent) war die Rede.

Die Umsatzeinbußen, die Spiegel TV 2012 hinnehmen mußte, korrespondieren mit dem Gewinneinbruch von etwa 30 Prozent in der gesamten Spiegel-Gruppe. Der Umsatz von Spiegel TV entspricht einem Siebtel des Gesamtumsatzes. Allerdings hat die TV-Firma in den vergangenen Jahren immer mehr Produktionsaufträge verloren, weil Sendungen eingestellt oder anderweitig vergeben wurden: Die Vox-Erotiksendung „Wahre Liebe“, der Informationssender XXP, die Shows von Johannes B. Kerner und Oliver Pocher – sie alle wurden früher von Spiegel TV produziert. Zuletzt verlor Spiegel TV die Sendung „Lanz kocht“. Die Mitarbeiter, die diese Sendungen produziert haben, sitzen jetzt untätig herum, weil keine neuen Aufträge hereingekommen sind. Personalabbau ist die logische, kaufmännische Konsequenz. Es gibt einen zweiten Grund, warum eher bei Spiegel TV gekürzt wird als beim gedruckten Spiegel, der noch immer rund zwei Drittel des Gesamtumsatzes einbringt. Den Angehörigen der Printredaktion gehören über das Gesellschaftermodell einer „Mitarbeiter-KG“ 50,5 Prozent am Unternehmen. Sie werden kaum den eigenen Gürtel enger schnallen.

Dies macht auch den verzweifelten Versuch einer Abwälzung der dringend notwendigen Einsparungen auf wirtschaftliche Nebenkriegsschauplätze wie Spiegel Online, vor allem aber Spiegel TV, nachvollziehbar.

Das ist schade. Denn anders als das nach dem Abgang von Stefan Aust wieder deutlich nach links gerückte Heft und der seit jeher antifaschistisch ausgerichtete Internetauftritt ist Spiegel TV oft sehenswert. Das Herzstück von Spiegel TV ist die Magazinsendung am Sonntagabend bei RTL nach dem 20.15-Uhr-Spielfilm. Dazu kommen Reportagen auf anderen Sendern wie Vox, im Bezahlfernsehen und der Betrieb eines Video-Portals im Netz. Die Sendungen von Spiegel TV gehören zum Anspruchsvollsten, was das Privatfernsehen zu bieten hat. Spiegel TV bezeichnet sich selbstbewußt und vielleicht auch ein bißchen hochnäsig, aber dennoch zutreffend als „die erfolgreichste Politsendung im deutschen Privatfernsehen“ seit dem 8. Mai 1988.

Der generell linksliberale Kurs der gesamten Spiegel-Gruppe findet sich natürlich auch bei der Tochter Spiegel TV. Aber gelegentlich fördert das investigative Vorgehen der Journalisten, die mit ihren seinerzeit für Deutschland neuen Methoden der direkten, persönlichen Konfrontation von Gesprächspartnern vor laufender Kamera neue Maßstäbe setzten, erstaunliche Resultate zutage.

In den letzten zwei Jahren, die den Spalt zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung wie nie zuvor aufklaffen ließen, sendete Spiegel TV Berichte wie „Netzwerk der Hetzer“ (2011) über die um sich greifenden salafistischen Strukturen in der Bundesrepublik oder diverse Beiträge, die mafiös organisierte Banden von bettelnden Zigeunern thematisierten.

Solche Reportagen wären in öffentlich-rechtlichen Sendern wegen des angeblich dadurch geschürten „Rassismus“ wohl nie gesendet worden. Erst vor drei Wochen widmete sich die sonntägliche Magazinsendung ausschließlich dem Thema Taschendiebe und berichtete dabei ausführlich über Zigeunerbanden in Deutschland.

Selbst bei den hochsensiblen Themen Zwangsheirat und Ehrenmord, um die beispielsweise in diesbezüglichen Tatort-Krimis stets ängstlich herumgetänzelt wird, ließ sich Spiegel TV in dem Beitrag „Zwangsheirat, Gewalt und Mord: Verbrechen im Namen der Ehre“ nicht vor den Karren der politischen Korrektheit spannen.

Foto: Flaggschiff: Im Wechsel mit Hendrik Voehringer moderiert Maria Gresz die Spiegel-TV-Sendung am Sonntag

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