© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

In der Prärie erledigt
Im Jahr 1862 endete einer der letzten großen Indianeraufstände gegen die US-Lebensraumpolitik für viele Kämpfer am Galgen
Wolfgang Kaufmann

In der Nacht vom 17. zum 18. August 1862 ermordeten vier plündernde Angehörige des Stammes der Östlichen Dakota (auch Santee-Sioux genannt) fünf weiße Farmer, darunter zwei Frauen. Dem vorausgegangen war das Ausbleiben der jährlichen Zahlungen der Regierung in Washington an die Santee aufgrund der Wirren des Sezessionskrieges. Denn das sorgte für Hunger und Frustration, da der Stamm nach dem Verkauf von neun Zehnteln seines Landes in Minnesota nicht mehr in der Lage war, eigenständig für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

Häuptling Little Crow ahnte, daß die Rache der Weißen drastisch sein würde und billigte daher trotz schwerster Bedenken einen sofortigen Präventivschlag, wobei ihn die Hoffnung leitete, daß der Gegner momentan stark geschwächt sei, weil viele wehrfähige Männer die Region verlassen hatten, um in der Armee der Nordstaaten zu dienen. Optimisten unter den Indianern glaubten sogar, nun das gesamte verkaufte Land zurückgewinnen zu können.

Damit begann der sogenannte Dakota- beziehungsweise Sioux-Aufstand, der letztlich etwa 600 bis 800 weißen Siedler das Leben kostete – bis zum 11. September 2001 sollte dies der höchste Blutzoll unter amerikanischen Zivilisten infolge von Angriffen im Inland bleiben. Unter den Toten befand sich auch der Händler Andrew Myrick, der am 15. August mit einem historisch verbürgten Ausspruch im Angesicht von Little Crow den wohl entscheidenden Funken an die Zündschnur gelegt hatte: „Wenn die Indianer hungrig sind, dann sollen sie Gras oder ihre eigene Scheiße fressen.“

Allerdings konnten die Insurgenten letztendlich nur gegen weiche Ziele wie Regierungsagenturen und die überwiegend von deutschen Einwanderern bewohnte Stadt New Ulm Erfolge erzielen. So mißlang ihnen unter anderem die Einnahme des strategisch wichtigen Fort Ridgely. Dazu kam die verheerende Niederlage gegen die Truppen von Colonel Henry H. Sibley in der Entscheidungsschlacht von Wood Lake am 23. September 1862.

Um den Repressionen des US-Militärs zu entgehen, flohen die drei Anführer des Aufstands, Little Crow, Medicine Bottle und Shakopee, Ende September nach Kanada, während zur gleichen Zeit etwa 600 ihrer Krieger gefangengenommen und vor ein Militärtribunal gestellt wurden. Dieses verhängte bis zum 5. November im Fließbandverfahren in 303 Fällen die Todesstrafe, dazu kamen 16 längere Haftstrafen.

Allerdings hob Präsident Abraham Lincoln die allermeisten Urteile am 6. Dezember wieder auf, nachdem der Bischof der Episkopalkirche von Minnesota, Henry Whipple, persönlich um Gnade gebeten hatte – unter anderem, weil den Angeklagten kein ordnungsgemäßer Rechtsbeistand gewährt worden war und es sich oft auch bloß um Teilnehmer an Kämpfen gegen reguläre Truppen handelte.

Tatsächlich gehenkt werden sollten nun nur noch die 38 Gefangenen, denen nach Ansicht der zwei zivilen Richter, die Lincoln mit der nachträglichen Prüfung der Prozeßunterlagen betraut hatte, zweifelsfrei Mord oder Vergewaltigung nachgewiesen werden konnten. Dies wiederum erregte den Zorn von Gouverneur Ramsey, der schließlich dem Präsidenten damit drohte, daß sich „die Weißen in Minnesota auf eigene Faust rächen“ würden. Und tatsächlich kam es immer wieder zu Versuchen der Lynchjustiz an den Festgesetzten, so daß sich Lincoln schließlich genötigt sah, das Militär anzuweisen, „ungesetzliche Gewalttätigkeiten“ zu verhindern.

Die 38 Delinquenten wurden am 26. Dezember 1862 in Mankato in Anwesenheit zahlloser begeisterter Siedler an einem großen Gemeinschaftsgalgen gehenkt. Damit handelte es sich hier um die größte offizielle Massenhinrichtung in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Binnen Jahresfrist starben dann auch die drei Anführer der Revolte: Little Crow fiel am 3. Juli 1863 bei einem Feuergefecht, als er versuchte, den Weißen aus Rache Pferde zu stehlen. Shakopee und Medicine Bottle wiederum wurden im Dezember 1863 in Kanada entführt und auf Hundeschlitten über die Grenze nach Minnesota gebracht, wo ebenfalls der Strang auf sie wartete.

Foto: Hinrichtung von 38 Sioux-Indianern des Dakota-Aufstandes am 26. Dezember 1862 in Mankato/Minnesota: Reaktion auf eine der größten Offensiven nordamerikanischer Indianer gegen die US-Siedler

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