© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

EU will Zerschlagung der Deutschen Bahn ermöglichen
Britische Erfahrungen
Jörg Fischer

Dutzende Tote, Hunderte Verletzte, Milliardenschäden zu Lasten der Steuerzahler – das war die Bilanz von achteinhalb Jahren Railtrack PLC. Das war jenes börsennotierte Privatunternehmen, das 1994 die Infrastruktur der heruntergewirtschafteten Staatsbahn British Rail übernommen hatte. Auch die Leistungen der 2002 gegründeten Nachfolgefirma Network Rail sind, gemessen an den Bahnnetzen in Mitteleuropa und Ostasien, unterirdisch.

Doch britische Verhältnisse drohen auch in Deutschland, sollten Pläne von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas Gesetzeskraft erlangen. Der vom emsigen Sowjetfunktionär zum Wirtschaftsreformer gewendete 64jährige Este will alle verbliebenen nationalen Eigenheiten im Bahnverkehr beseitigen, um angeblich mehr Wettbewerb auf die Schiene zu bringen. Effizienzgewinne und Kostensenkung zum Wohle der öffentlichen Kassen verspricht Kallas – ähnlich argumentierte auch Premierminister John Major, als er die Railtrack-Reform anpries. Die Deutsche Bahn (DB) müßte sich nun spätestens 2019 von ihrem Schienennetz trennen, um zu verhindern, daß Züge von Billigkonkurrenten aus anderen EU-Ländern benachteiligt würden, behauptet Kallas. Die bitteren britischen Erfahrungen werden in den Brüsseler Amtsstuben ignoriert. Dabei zeigen die staatlichen Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und die privatisierten Japan Railways (JR) wie moderner Bahnverkehr komfortabel und sicher läuft – und sowohl SBB wie die JR-Gesellschaften sind Herren der Netze, die sie schon aus purem Eigennutz in Bestform halten und ausbauen. Und schon heute rollen französische TGV-Hochgeschwindigkeitszüge problemlos bis nach Köln und München, die ICE der DB fahren seit Jahren nach Dänemark, Österreich und in die Schweiz.

Die Bundesregierung hat sich den EU-Zerschlagungsplänen bislang stets verweigert, doch über den Umweg EU scheint inzwischen alles möglich, selbst der größte Irrsinn, wie die Euro-Krise tagtäglich lehrt.

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