© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

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Die „Welt“ ist nicht genug: Bezahlschranken dürften im Netz langsam, aber sicher zur Normalität werden
Christian Schreiber

Den Medienwandel kann man auch als Chance begreifen.“ Das glaubt jedenfalls Stephan Weichert, Professor für Journalistik an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Hamburg. Er ist in diesen Wochen ein vielgefragter Experte. Durch den deutschen Blätterwald rauscht das böse Wort: „Zeitungssterben“.

Die Frankfurter Rundschau ist pleite, Financial Times Deutschland gibt es nicht mehr und weitere Insolvenz-Kandidaten stehen schon parat. Weichert beklagt daher in seiner Analyse eine „kindliche Abwehrhaltung gegenüber dem Internet“. Und genau dort wird der Schlüssel zur Lösung der Print-Krise liegen. Ein Trend, den deutsche Zeitungsmacher lange verschlafen haben. Als sich die Verlage vor rund 15 Jahren an ihre ersten Online-Auftritte machten, da waren sie stolz auf kostenlose Angebote.

Irgendwann merkten sie, daß die Print-Auflage einbrach. Manch einer führte dann überstürzt Online-Abos ein und zog sich so den Zorn seiner Kundschaft zu. Doch der Wandel schreitet rasant voran. Bei immer weniger Haushalten steckt morgens noch die Zeitung im Briefkasten, läuft abends um acht die Tageschau. Der Siegeszug des Internets ist nicht mehr aufzuhalten. Digitale Lesegeräte wie iPads haben die Medienbranche revolutioniert, das Zeitunglesen findet morgens im Bus oder der Bahn auf elektronische Art und Weise statt.

Nun hat der Axel-Springer-Verlag mit seinem Flaggschiff Die Welt einen Vorstoß gewagt. Ihre Leser müssen seit dem vergangenen Mittwoch für die Lektüre teilweise zahlen. Seitdem können Nutzer der Seite welt.de pro Monat 20 Artikel kostenlos lesen, ab dem 21. angeklickten Beitrag greift ein Bezahlsystem wie bei einem Abonnement.

Die Startseite bleibt kostenfrei. Artikel, auf die von Suchmaschinen, sozialen Netzwerken oder anderen Seiten verlinkt werden, können ebenfalls weiter kostenlos gelesen werden. Alles in allem ist es eine durchlässige „Schranke“, die da errichtet wurde. Es ist offensichtlich: Der Verlag will seine Kunden langsam an das Thema Online-Abo heranführen und scheut den ganz großen Schritt, bei dem mit einem Mal alle Inhalte kostenpflichtig werden.

Abonnenten einer Zeitung der Welt-Gruppe erhalten unbegrenzt freien Zugang. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner räumte ein, daß die Unsicherheit darüber, ob das Projekt ein Erfolg werde, groß sei. Was passiert, wenn die User diesen Weg verweigerten, wisse man nicht, sagte er. „Wir müssen jetzt einfach anfangen.“ Diese Einstellung ist in der Medienbranche mittlerweile weit verbreitet. Im kommenden Jahr soll auch der Online-Inhalt der Bild kostenpflichtig werden, dies dürfte vor allem damit zusammenhängen, daß sich Bild Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga gesichert hat.

Diese Aktivitäten wirken wie Flickschusterei, fieberhaft überlegen die Verlage, mit welchen Online-Inhalten sie Geld verdienen können. Der Trierische Volksfreund hat im Sommer angefangen, Nachrichten aus der Lokalredaktion im Netz zu verkaufen. Nach anfänglichen Einbrüchen hat sich die Nutzerzahl mittlerweile stabilisiert. Doch es mehren sich die Stimmen, die ein einheitliches Vorgehen fordern. Denn nicht nur die Art und Weise der Bezahl-inhalte variiert, auch die Zahlmethoden sind höchst unterschiedlich. Neben freiwilligen Modellen wie Flattr, mit dem die taz arbeitet, sind „Pay Walls“ stark im Kommen – zu deutsch Bezahlmauern. Um hinter diese Mauern zu kommen, müssen die Nutzer elektronische Bezahlsysteme nutzen.

Die Welt kooperiert hierbei mit dem Anbieter Mpass, einem System, das ursprünglich von den Mobilfunkunternehmen Vodafone und O2 ins Leben gerufen wurde. Die Firma wirbt damit, daß nur eine einmalige Registrierung notwendig sei, zudem Abbuchungen über ein Zwischenkonto erfolgten und damit der Schutz der privaten Bankdaten gewährt bliebe.

Ähnlich funktioniert das System bei den beiden Marktführern Click and Buy und Paypal. Vor der Erstnutzung registrieren sich Internetkäufer und hinterlegen ihre Bankverbindung oder Kreditkartendaten bei dem Anbieter. Die Registrierung erfolgt einmalig und ist kostenlos. Bei anschließenden Online-Käufen werden zur Übertragung von Guthaben vom Käufer an den Verkäufer nur noch Benutzername und Paßwort angegeben, die Zahlungsmittelinformationen liegen bei dem entsprechenden Anbieter, der sich das Geld entweder vom Konto oder der Kreditkarte holt.

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, im Netz zu bezahlen, und das macht die Angelegenheit nicht unbedingt übersichtlicher. Manche Anbieter fordern Vorauszahlung, andere eine Kreditkarte. Pay-pal eignet sich zudem nicht für Kleinstkäufe, was passiert also mit einem Artikel, der nur zehn Cent kostet? Kritiker äußern Bedenken, ob eher starre Einrichtungen wie Bezahlschranken und Online-Abos dem wechselnden Konsumverhalten gerecht werden.

Eine Lösung könnte daher eine nationale Flatrate für Mediennutzung sein, welche das Unternehmen Piano Media in Osteuropa erfolgreich eingeführt hat. Dort haben sich mehrere Verlage zusammengeschlossen, für einen entsprechenden Betrag können die Online-Inhalte abgerufen werden. Springer-Chef Döpfner klingt schon mal interessiert: „Wir sind in einer Phase des Umbruchs. Undenkbares kann schnell denkbar werden.“

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