© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

Klimawandel und Überbevölkerung
UN-Ziele zur Bevölkerungspolitik unerreichbar / Teufelskreis von Unterentwicklung und Geburtenhäufigkeit
Oliver Busch

Der Klimawandel und die Bevölkerungsexpansion haben sich als Naturprozesse soweit verselbständigt, daß sie relativ unabhängig von menschlichem Einfluß die Geschichte des 21. Jahrhunderts bestimmen werden. So steigt die Weltbevölkerung unaufhaltsam bereits 2025 von heute sieben auf acht Milliarden an. Selbst bei einem Rückgang der Fertilitätsrate auf 2,1 Kinder pro Frau steigt die Zahl der Erdenbürger binnen zweier Generationen bis 2100 auf zehn Milliarden, da die gebärfähigen Jahrgänge stark besetzt sind. Gelingt es nicht, die Fertilität derart einzudämmen, läßt schon ein geringfügig langsamerer Rückgang 16 Milliarden erwarten.

Für Frank Swiaczny und Evelyn Grünheid vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) steht damit fest, daß die Verrringerung der Fertilität, als das wichtigste, für 2015 anvisierte Entwicklungsziel der UN-Milleniumserklärung nicht mehr erreichbar ist (Geographische Rundschau, 11/12).

Zwar verbreiten beide Forscher Zuversicht, wenn sie betonen, daß der Höhepunkt der Bevölkerungsexplosion in den 1960ern überschritten wurde. Doch diese Verlangsamung wirke sich regional extrem unterschiedlich aus. Im Gegensatz zur nördlichen Hemisphäre weist vor allem Afrika südlich der Sahara weiterhin hohe Wachstumsraten auf. Da es sich hier um Regionen mit geringem Entwicklungsstand handelt, fehlen mit den Möglichkeiten zur Armutsbekämpfung, Gesundheitsfürsorge und zur Hebung des Bildungsstandes einschließlich der Gewährleistung des Zugangs zur Familienplanung alle Voraussetzungen für die Absenkung der hohen Geburtenzahlen. Die erschreckende Kindersterblichkeit, mit jährlich 8,1 Millionen Toten vor dem fünften Geburtstag, die südlich der Sahara und in Südasien zu beklagen ist ändere an dem fatalen Gesamttrend nichts. Wandel ist von der nächsten Generation nicht zu erwarten. 112 Millionen Jugendliche waren 2009 in den unterentwickelten Teilen Afrikas und Asiens ohne Grundschulbildung. Dort ist man mithin weit von dem proklamierten UN-Ziel für 2015 entfernt, „jedes Kind auf der Welt“ solle bis dahin eine Grundschule durchlaufen haben.

Die Wiesbadener Demographen verschweigen Fortschritte bei der Umsetzung der UN-Vorgaben nicht. So sei bis 2008 die Müttersterblichkeit erheblich zurückgegangen. Doch liege die Spanne zwischen 17 gestorbenen Mütter je 100.000 Lebendgeborenen in den alten Industriestaaten und 640 in den afrikanischen Problemzonen. Unzureichende medizinische Betreuung während und nach der Schwangerschaft sowie die Geburtenhäufigkeit als Folge fehlender Familienplanung, die nur zehn bis 20 Prozent der Familien nutzen, lassen die betroffenen Länder in einem Teufelskreis von Unterentwicklung und signifikant hoher Fertilität verharren. Wie eine an die BiB-Übersicht anschließende Fallstudie Kölner Geographen über Gesundheitsversorgung, Kindersterblichkeit und Krankheitsbekämpfung in Mumbai (Bombay) belegt, ist aber auch die prospektive „Weltmacht“ Indien weit davon entfernt, die UN-Milleniumsziele bis 2015 umsetzen zu können.

Datensammlungen zur Weltbevölkerung:

www.weltbevoelkerung.de

www.devinfo.info

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