© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

Wehrpflicht in Österreich
Das Volk entscheidet
Martin Graf

Das Jahr 2013 beginnt in Österreich mit einer demokratiepolitischen Premiere: mit einer bundesweiten Volksbefragung über Abschaffung oder Erhalt der allgemeinen Wehrpflicht. Die Bürger werden am 20. Januar zu den Urnen gebeten.

Die Diskussion wurde vor mehr als einem Jahr vom Wiener SPÖ-Bürgermeister Häupl eröffnet, der das Ruder im Wahlkampf herumzureißen versuchte, indem er Jungwählern versprach, ihnen den Dienst fürs Vaterland zu ersparen. Die Sozialdemokratie machte kehrt und brach mit einem ihrer Dogmen, dem klaren Bekenntnis zu einem Heer aus dem Volk. Daß sie dabei beim christlich-sozialen Koalitionspartner keine offenen Türen einrannte, lag daran, daß auch die ÖVP einen Schwenk vollzogen hatte. Vor zehn Jahren stand sie noch für ein Berufsheer und für einen Nato-Betritt Österreichs.

Militärische Überlegungen spielen jedoch in der Wahlkampfwelt der Regierungsparteien keine Rolle. Ihnen geht es um die immer stärker von Zivildienern getragenen Rettungseinsätze und um den vom Bundesheer bewerkstelligten Hilfsdienst bei Naturkatastrophen. Das System der Wehrpflicht jedoch dient primär der militärischen Landesverteidigung in einer Weise, die das Volk in diese Aufgabe einbindet. Wer verhindern will, daß das Heer zum Fremdkörper in der Gesellschaft wird, muß daher mit einem klaren Ja zur Wehrpflicht stimmen. Welche Folgen eine Abschaffung auf die Verankerung des Heeres im Volk selbst und auf Neutralität und Souveränität Österreichs haben würde, kommt selbst der ÖVP nicht über die Lippen, deren Gesinnungsfreunde ironischerweise als die Zerstörer der Wehrpflicht in Deutschland auftraten. Und es mutet nicht minder merkwürdig an, daß nun CDU-Verteidigungsminister de Maizière den Wiener Freunden argumentative Unterstützung liefert, wenn er sagt, er habe die Wehrpflicht nur „schweren Herzens“ mit Blick auf die Nato ausgesetzt.

Trotz aller Irrwege, die diese Diskussion nimmt, ist die Frage als Test für mehr direkte Demokratie, wie wir Freiheitliche sie massiv einfordern, durchaus tauglich. Denn die Abstimmung wird zeigen, daß die Bürger für eine Zerstörung der gesellschaftlichen Institutionen – und dazu wäre die Abschaffung der Wehrpflicht beim Bundesheer nicht der erste Schritt – nichts übrig haben.

 

Dr. Martin Graf ist FPÖ-Politiker und seit 2008 Dritter Präsident des österreichischen Nationalrats.

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