© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

Dambisa Moyo. Die aus Afrika stammende Publizistin liest dem Westen die Leviten.
Schrecken der Guten
Volker Kempf

Egal welches Thema sie anpackt, es wird Gold daraus. Jedes ihrer Bücher stürmte bisher die Bestsellerlisten der großen US-Wirtschaftszeitungen, Ex-Uno-Generalsekretär Kofi Annan bekannte gar, die Lektüre habe seine Sicht der Dinge verändert. Die Rede ist von der amerikanischen Publizistin Dambisa Moyo, die vom Time Magazine inzwischen auf die Liste der hundert einflußreichsten Personen der Welt gesetzt worden ist.

Eine steile Karriere für ein kleines afrikanisches Mädchen, das 1969 in Sambia geboren wurde, dann aber den Sprung in die USA schaffte, wo sie zunächst Chemie studierte, bis sie auf Volkswirtschaft umsattelte und erst für die Weltbank, schließlich bei Goldman Sachs arbeitete.

Mittlerweile liest das Mädchen aus dem Busch dem Westen kräftig die Leviten. In ihrem Bestseller „How the West was Lost“ macht sie offenbar, wie sich die westlichen Industrienationen jahrzehntelang auf ökonomischen Narreteien ausgeruht haben, die sich nun rächen. Und wie diese erst China die Möglichkeit boten, nun das Rennen um das 21. Jahrhundert zu machen, was sie in ihrem nächsten Bestseller „Winner Take All“ analysiert.

Politisch unkorrekt wie ein Nackenhieb ist allerdings vor allem ihr nun auch auf deutsch erschienener US-Hit „Dead Aid“. Der Titel ist eine Anspielung auf die in den achtziger Jahren von dem Musiker Bob Geldof initiierte, moralisch extrem erfolgreiche „Live Aid“-Bewegung. Diese hatte zum Zweck, Spenden für Afrika zu sammeln, und organisierte dafür mit Madonna, Mick Jagger, Phil Collins, U2 und anderen Superstars das größte Musikfestival aller Zeiten.

Tatsächlich aber habe sich die westliche Entwicklungshilfe als das glatte Gegenteil, als „tödliche Hilfe“, erwiesen. Moyo zieht eine Schreckensbilanz. Finanzielle Geschenke haben nicht selbständige, sondern abhängige Menschen geschaffen. Sogar an der grassierenden Korruption auf dem Schwarzen Kontinent sei die Entwicklungshilfe mit schuld. Moyo empfiehlt als Fazit, mehr Marktwirtschaft zu wagen.

Ökonomisch ist das alles so neu nicht. Aber bisher zählten solche Stimmen nicht zu den hundert einflußreichsten der Welt. Im Gegenteil, Entwicklungshilfeskeptiker wurden gerne mit dem Vorwurf der Hartherzigkeit überhäuft oder totgeschwiegen. Moyo klagt das an und geißelt jene „Helfer“, die von Entwicklungshilfeprojekten – von „geborgtem Elend“ (Helmut Schelsky) – gut leben.

Und so fordert der Harvard-Historiker Niall Ferguson, der das Vorwort zum Buch geschrieben hat, folglich „mehr Moyo und weniger Bono“ – der U2-Sänger gilt als Paradegutmensch der Rockszene. Und Moyo – der neue Rockstar unter den Ökonomen? An ihre neuen Töne, die von mehr Sachverstand zeugen und herablassende Gutmenschlichkeit zurückweisen, muß sich mancher wohl noch gewöhnen.

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