© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

„Basta Steuern, basta Italia“
Venetien: Nicht nur Süd-Tirol, Katalonien oder Schottland streben nach Unabhängigkeit, auch die reiche Region setzt zunehmend auf Autonomie
Paola Bernardi

Basta Steuern, basta Italia, die Unabhängigkeit Venetiens wird triumphieren“, dieser Schlachtruf tönt derzeit von Venedig bis Verona. Gelb-blaue Fahnen neben den Flaggen mit dem gold-roten Löwen von San Marco werden bei den Versammlungen geschwenkt.

L’Indipendenza Veneta (Unabhängigkeit Venetiens) heißt die neue Vereinigung im reichen Norden Italiens, die quasi über Nacht entstand. Seit sich im Mai 2012 verschiedene Persönlichkeiten zusammengetan haben, um gegen die dramatische finanzielle und politische Situation Italiens zu protestieren und neue Auswege aufzuzeigen, schießen die Stände dieser Bewegung wie Pilze aus dem Boden. Der Zulauf ist enorm. Wie ein rettender Strohhalm erscheint vielen Norditalienern diese neue Bewegung. „In dieser Situation, wo die Steuern den italienischen Bürgern das Blut aussagen, wollen wir versuchen, wieder einen funktionierenden Staat zu errichten, wo Gerechtigkeit herrscht“, so Gianluca Busato, einer der Initiatoren. Reales politisches Ziel ist die Abtrennung Venetiens von Italien, hin zu einem eigenen Staat Veneto.

Die Idee fällt auf fruchtbaren Boden, die Zeit ist günstig. Denn der Frust gegenüber Rom mit seinem räuberischen aufgeblasenen parteipolitischen System wächst.

Chef dieser neuen Bewegung ist der 39jährige Ökonomieprofessor Lodovico Pizzati. Pizzati erklärte jetzt in einem Interview mit dem österreichischen Magazin WirtschaftsBlatt, daß man mit Hilfe eines Referendums, das auf internationalem Recht fußen werde, die Unabhängigkeit Venetiens von Italien erreichen wolle. Die Venetier seien ein Volk und hätten ein Recht auf Selbstbestimmung. Schon wurde dem Präsidenten von Venetien, Luca Zaia, ein Paket mit 20.000 Unterschriften zugestellt. Zwei Drittel der Mitglieder des Regionalparlaments hätten bereits zugestimmt, eine Sonderversammlung einzuberufen, bei der die Frage eines Referendums unter der Aufsicht von Beobachtern der Vereinten Nationen und der EU überprüft würde, wie es auch in Schottland 2014 vorgesehen ist.

„Wir wollen über einen legalen, international anerkannten Weg unsere Autonomie erreichen“, so Pizzati. Auch einige Unternehmer stünden diesem Projekt positiv gegenüber. Mit der derzeitigen Steuerlast von 67 Prozent sei es für sie immer schwieriger im internationalen Wettbewerb zu bestehen, sie könnten nur gewinnen, so Lodovico Pizzati. Was nun die Lega Nord anbetrifft, die ja immer mit dem Ruf „Los von Rom!“ wirbt und besonders im Veneto eine große Anhängerschaft hat, da unterscheide sich die L’Indipendenza Veneta ganz erheblich: Die Lega sei de facto eine italienische Partei, außerdem trete sie für wirtschaftlichen Protektionismus ein, und vor allem sei sie ausländerfeindlich.

Ganz im Gegensatz zu ihnen, denn wer mit seiner Arbeit zum Wachstum des Veneto beitrage, gehöre automatisch dazu. Venedig, so Pizzati weiter, war „in der Vergangenheit groß, weil es Handelsbeziehungen zur ganzen Welt hatte“.

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