© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

Knaller an der Kinokasse
Film: „Der Hobbit“ bricht alle Rekorde
Markus Brandstetter

Es gibt Statistiken für alles. Also gibt es auch welche darüber, wieviel Geld ein neuer Film an den Kinokassen überhaupt, in welchem Monat, in welchem Land, ja sogar an welchem Wochenende eines speziellen Monats einspielt. Schaut man sich diese Zahlen an, was auf www.boxoffice.com jeder gratis tun kann, stellt man fest, daß „Der Hobbit“ von Regisseur Peter Jackson bis zum 20. Dezember – eine Woche nach Kinostart – nur in den USA die unglaubliche Summe von 106,5 Millionen US-Dollar eingespielt hat. Allein am Startwochenende waren es 95 Millionen US-Dollar. Noch nie hat ein Film an einem Dezember-Wochenende in den USA derart viel Geld in die Kassen der Kinobetreiber gespült. Selbst James Camerons Epos „Avatar“ schaffte ebenfalls an einem Dezember-Wochenende nur 77 Millionen Dollar.

Was fasziniert die Menschen so sehr an dieser Geschichte, in der fressende und saufende, rülpsende und furzende Zwerge einem unermeßlichen Goldschatz hinterherrennen, den sie Jahrzehnte zuvor an einen feuerspeienden Drachen verloren haben? Die schauspielerischen Leistungen können es nicht sein, denn die sind bestenfalls mittelmäßig. Sex, Erotik, ja Gefühle und Psychologie überhaupt kommen bei Tolkien, das kennt man schon aus dem „Herrn der Ringe“, nicht vor. Tolkiens Gestalten werden ausschließlich durch eine unermeßliche Gier nach Macht und Herrschaft, nach Reichtum und durch eine diffuse Sehnsucht nach der heilen Welt gemütlicher Zwerge getrieben.

Aber vielleicht ist es gerade das, was die Kinokassen klingeln läßt: Das Verlangen der Zuschauer nach Märchen und uralten Mythen, nach klar strukturierten Geschichten, in denen Gut und Böse miteinander kämpfen und das Gute immer siegt. Geht es einmal hart auf hart, dann kommt – nach langen Minuten unerträglicher Spannung – immer ein Zauberer oder der Zufall oder auch nur ein mythologisches Wesen daher, wodurch das Problem auf einen Schlag gelöst ist. Im „Hobbit“ gibt es niemanden, der seine Rolle im Leben, seinen Platz in der Gesellschaft oder sein Geschlecht erst definieren müßte. Alles steht von vornherein fest – auch der Ausgang der Geschichte. Das ist es, was die Leute wirklich wollen. Daß die Tricktechnik nun wirklich atemberaubend ist und Filmkomponist Howard Shore eine an Wagner erinnernde Musik geschaffen hat, rundet das Ganze ab, erklärt den Erfolg aber nur teilweise.

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