© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/13 / 11. Januar 2013

Ökologische Gesinnungsschnüffler
Linke Debatte über ideologische Prägungen der Umweltbewegung / Nach Herkunft und Struktur rechts
Dirk Kuhlmann

Die meisten Leute treibt zwar anderes um als Raimon Klein, der Angst hat, in den falschen Apfel zu beißen. Aber die Sorgen einer öffentlich präsenten Minderheit von Kunden des Ökolandbaus artikuliert der Journalist gleichwohl, wenn er in Zweitverwertung seines alten Freitag-Artikels erneut über die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des Biosiegels greint. Dieses grüne Zertifikat verrate nicht, ob die gekauften Äpfel womöglich vom „völkischen Erzeuger“ stammen. Wie soll man sich um Himmels willen mit „braunem“ Obst und Gemüse politisch korrekt ernähren? Was nützt der „Kampf gegen Rechts“, wenn man die Szene nichtsahnend am Bio-Obststand mitfinanziert?

Daher müsse jeder Lieferant vor seiner Aufnahme in einen Bioverband überprüft werden, „um rechte Gesinnung auszuschließen“. Die Konsumenten seien zu mobilisieren, um „Druck“ auf Händler zu machen, damit die wiederum Druck auf Lieferanten ausüben. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) hat bereits im Juni 2012 reagiert und versprochen, er und seine Mitgliedsverbände (Bioland, Demeter, Ecovin und andere) würden „alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um rechtsradikale Unternehmer aus ihren Reihen konsequent auszuschließen“.

Wie die Beiträge im aktuellen Band der linksliberalen Vierteljahresschrift Politische Ökologie (131/12) über „Ökologie von rechts“ belegen, glauben Kleins Mitautoren jedoch, daß mit der von ihm empfohlenen Verfeinerung der Denunziationskultur wenig zu erreichen ist. Denn die „braunen Grünen“ verstünden es inzwischen meisterhaft, auf der Ökowelle zu schwimmen.

Toralf Staud, Zeit- und taz-Beiträger, stellt daher illusionslos fest: Rechte Ökologen fänden zunehmend Gehör, weil sich ihre Forderungen mit denen von „Umweltverbänden und Bündnisgrünen“ deckten. Nur Experten wie er würden erkennen, wer da „gut getarnt auf Stimmenfang“ gehe. Dabei falle die Enttarnung und die Abgrenzung zu „wirklichen Ökologen“ eigentlich leicht, da die „braune Umweltideologie“ schnell die „völkische Grundhaltung“ durchscheinen lasse. So verrieten sich Kampagnen gegen Gentechnik, genveränderte Lebensmittel oder den Genmais des US-Konzerns Monsanto durch ihre „anti-amerikanische“ Stoßrichtung.

Nähmen Rechte das Schächten unbetäubter Schlachttiere aufs Korn, habe der Protest stets einen „rassistischen Unterton“, der sich gegen Juden und Moslems richte. Prangere die NPD in Mecklenburg-Vorpommern die Ausfischung der Ostsee an, würde das Problem nationalistisch zugespitzt und auf „polnische Raubfischer“ reduziert. Als kreuzbraver Kosmopolit, der nur allgemein „die Überfischung der Ozeane“ kritisiert wissen will, hat sich Staud offensichtlich so weit von der durch Hegel und Marx geweckten linken Lust am Konkreten entfernt, daß er Roß und Reiter bei ökologischen Fehlentwicklungen tunlichst anonymisieren möchte.

Die Eindämmung des ökologisch drapierten „Rechtsextremismus“ falle nach Stauds Ansicht aber auch deshalb schwer, weil diese Fraktion der Umweltbewegung sich nicht opportunistisch zu verbiegen brauche. Schließlich agiere sie seit hundert Jahren auf vertrautem Boden. Alles ökologische Denken, so hebt Ludwig Trepl (TU München), emeritierter Professor für Landschaftsökologie hervor, habe zwar keine „tiefbraunen Wurzeln“ (Staud), gehöre jedoch zum Kernbestand des „klassischen Konservatismus“.

Die Ökoideologie sei nach Herkunft und Struktur unbestreitbar rechts und nicht, wie die beiden Potsdamer Politologen Gideon Botsch und Christoph Kopke betonen, „per se humanistisch, fortschrittlich oder links“. Deren Radikalisierung in der NS-Lebensraum-Ideologie habe die Naturtheorie der „Neonazis“ heute hinter sich gelassen, ohne indes zu konservativen Natur- und Gesellschaftsideen des 19. Jahrhunderts zurückzufinden, die eine ranglose Verschiedenheit und Vielfalt natürlichen wie menschlichen Daseins anerkannten.

Gerade der von Botsch und Kopke bemühte Blick in die Geschichte widerlegt auch ihre These, der rechte Ökologismus sei „konjunkturabhängig“. Denn der Naturschutzgedanke war fester Bestandteil der völkischen und lebensreformerischen Bewegungen im Kaiserreich. Auch die NPD kümmere sich seit den sechziger Jahren um Agrar- und Umweltpolitik. Als sie 2004 in Sachsen erstmals wieder in einen Landtag einzog, übernahm sie, woran Staud erinnert, nicht zufällig den Fachausschuß für Umwelt und Landwirtschaft. Der Göttinger Politologe Johannes Melchert verweist auf ihre dezidiert ökologische Programmatik bereits vor Formierung der westdeutschen Anti-AKW-Bewegung. In der Entstehungsphase der Grünen, so behauptet Staud, sei lange nicht klar gewesen, ob sich dort linke oder rechte Strömungen durchsetzen würden. Erst als der „rechte Flügel“ um Baldur Springmann in die „wertkonservative“ ÖDP „umzog“, dominierten die Linken, die aber noch um 1985 „einige rechtsextreme Aktivisten“ aus ihren Reihen „entfernen“ mußten.

Seit 2007, so warnt der taz, Jungle World und Blick nach rechts beliefernde Publizist Andreas Speit, habe sich der Resonanzraum der Umweltschutz beharrlich in „Heimat- und Volksschutz“ einbettenden rechten Ökologen mit der Zeitschrift Umwelt & Aktiv (JF 13/12) erheblich erweitert. Obwohl Speit mit tristen Zitatencollagen die „politische Mimikry“ des Ökomagazins zu demontieren meint und „personelle Verstrickungen“ mit der NPD enthüllt, fürchtet er, nicht zuletzt die geschickte Interview-Strategie der Redaktion könne ein „Entree in die allgemeine Ökoszene ermöglichen“.

Der Landschaftsökologe Trepl fällt hingegen mit der These aus dem Rahmen, das gefährlichere „biologistische Denken“ finde sich heute, wie der Genetik-Diskurs beweise, bei den Neoliberalen. Sie erklärten im Namen „naturwissenschaftlicher Aufklärung“ den Menschen „zu nichts als einer Spezies unter vielen“. Und anders als Staud wird Trepl erstaunlich konkret, wenn er darin eine „radikal-liberalistische Form“ der Menschenverachtung wittert, die den Vergleich mit NS-Ideologemen nicht zu scheuen brauche und die überdies „bekanntlich ein Kernstück der US-amerikanischen nationalen Identität“ sei.

BÖLW-Resolution gegen Rechtsradikalismus: www.boelw.de

Politische Ökologie 131: Ökologie von rechts. Braune Umweltschützer auf Stimmenfang. Oekom Verlag, München 2012, 129 Seiten, gebunden, 16,95 Euro

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