© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/13 / 25. Januar 2013

Die USA auf dem Weg zum Selbstversorger bei Erdöl und Gas
Billiger als Atomkraft
Markus Brandstetter

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist ein sympathischer Geheimdienst, stets bemüht, niemand in ein schlechtes Licht zu rücken, ganz egal, wie wenig jemand weiß. Das meiste von dem, was die Behörde an die Öffentlichkeit gibt, konnte man oft schon Monate vorher in der Zeitung lesen. So verhält es sich auch bei der BND-Studie zum „Fracking“. So nennt man ein Verfahren, mit dem man Erdöl und Erdgas aus tiefliegenden Gesteinsschichten, meist Schiefer, herauslöst. Dazu werden unter hohem Druck große Mengen an Wasser und Sand zusammen mit einem Chemikalien-Cocktail in die Gesteinsschichten eingepreßt.

Das Verfahren ist seit langem bekannt, wirtschaftlich wurde es jedoch erst in den neunziger Jahren, als der US-Ölmagnat George P. Mitchell eine Methode fand, Erdgas durch Horizontalbohrungen aus Schiefer- und Tonschichten zu lösen, die bis zu vier Kilometer tief liegen. Seit zehn Jahren wird in den USA Schiefergas gefördert – und die Zahlen sind beeindruckend: Die nachgewiesenen Gasreserven und die Anzahl der Bohrlöcher haben sich innerhalb von zwei Jahrzehnten verdoppelt. Importe und Preise liegen auf dem niedrigsten Stand seit 2007, der Erdgaspreis ab Bohrloch hat sich seit 2003 halbiert. Erdgas ist nun bald wieder so billig, wie es Mitte der achtziger Jahre unter Präsident Ronald Reagan war. Laut Studien der staatlichen Energy Information Administration (EIA) wird Erdgas bis zum Jahr 2040 einen immer größeren Anteil (28 Prozent) am US-Energieverbrauch einnehmen, während der Anteil von Erdöl von heute 36 auf 32 Prozent zurückgehen wird. Wenn wir nun noch die zunehmende Erdölproduktion durch Fracking, immer mehr Autos mit niedrigem Spritverbrauch und den technischen Fortschritt bei den Fördermethoden berücksichtigen, dann könnten sich die USA bis 2020 vom größten Ölimporteur zum größten Exporteur der Welt wandeln.

Das wird für Weltwirtschaft und Geopolitik gravierende Auswirkungen haben. Die Wirtschaft der großen Opec-Staaten von Saudi-Arabien bis Venezuela und Mexiko wird gewaltig unter Druck kommen. Die Bedeutung dieser Länder aus Sicht der USA wird sinken, weshalb sie sich enger an China anschließen werden, dem größten Erdölimporteur der Zukunft.

Der Verlierer in diesem geostrategischen Schach wird Israel sein, das als Bastion Amerikas gegen die arabischen Staaten nicht mehr notwendig ist – eine Entwicklung, die unter Barack Obama längst begonnen hat. Im Iran, in Mexiko und Venezuela könnte politische Instabilität drohen. Die Renaissance der Kernenergie, die zumindest für die USA seit Jahren vorausgesagt wird, wäre damit auch obsolet. Dies alles hat nun auch der BND in einer Studie festgestellt. Eine nützliche Fleißarbeit, ganz bestimmt, nur: Wer regelmäßig die großen angloamerikanischen Wirtschaftspublikationen verfolgt, dem ist all dies seit Jahren bewußt.