© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Kasernen ohne Kitas
Marcus Schmidt

Wer im politischen Berlin für Aufmerksamkeit sorgen will, setzt alles daran, seine Botschaften möglichst zugespitzt unter die Journalisten zu bringen. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), muß in der Regel nicht zu solchen Tricks greifen. Auch nach dem Ende der Wehrpflicht ist ihm die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sicher, wenn er vor der Bundespressekonferenz seinen jährlichen Bericht vorstellt.

So widerstand er auch am Dienstag der Versuchung, durch Dramatisierungen zusätzliche Schlagzeilen zu produzieren. Dabei beschönigt Königshaus nichts. Die Stimmung in der Truppe sei nach wie vor gedrückt und es herrsche eine tiefgreifende Verunsicherung. „Insbesondere die Dienst- und Einsatzbelastung hat vielfach die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, teilweise bereits überschritten“, sagte er. Eine Verbesserung der Stimmung sei nicht abzusehen. Königshaus machte für diese Depression den lange noch nicht abgeschlossenen Umbau der Bundeswehr verantwortlich. Umzüge als Folge des neuen Stationierungskonzeptes sowie Unklarheit über die eigene Laufbahnentwicklung führten zu Verunsicherungen.

In diesem Zusammenhang warnte Königshaus vor Überlegungen, den Verteidigungshaushalt überproportional zu kürzen (siehe oben). Auch wenn sich in den vergangenen Jahren die Lage bei Ausrüstung, Ausstattung und Bewaffnung verbessert habe, verwies er auf weiterhin bestehende Lücken, etwa bei Hubschraubern oder Nachtsichtgeräten.

Nahmen in früheren Jahren häufig Drangsalierungen von Soldaten durch Vorgesetzte einen breiten Raum im Bericht ein, lauten die Schwerpunkte heute „Frauen in der Bundeswehr“ und „Vereinbarkeit von Dienst und Familie“. So beklagt der Wehrbericht, daß der Frauenanteil in den Streitkräften Ende 2012 mit 18.494 Soldatinnen nur bei 9,65 Prozent lag. „Die gesetzlich vorgegebenen Quoten von 50 Prozent im Sanitätsdienst und 15 Prozent in den übrigen Laufbahnen konnten somit nach wie vor nicht erreicht werden“, kritisierte Königshaus. Frauen sollten mehr als eigene Zielgruppe angesprochen und geworben werden. Doch dem stünden auch die fehlenden Betreuungsmöglichkeiten für Kinder entgegen. Und, was noch schwerer wiege: Daran wird sich nach den Plänen der Bundeswehr nicht viel ändern. „Das ist unverständlich, vor allem, weil die Bundesregierung die Arbeitgeber der zivilen Wirtschaft dazu auffordert, eigene Betriebskindergärten einzurichten“, machte der FDP-Politiker deutlich.

Mit Blick auf die von den Medien immer wieder begierig aufgegriffenen Fälle von sexueller Belästigung, enthielt sich Königshaus jeglicher Panikmache. Sein Bericht verzeichnet 16 Fälle, in denen Soldatinnen Opfer von sexuellen Übergriffen durch Kameraden wurden. Auch wenn wie in der Gesellschaft von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer auszugehen sei: „Die in meinem Amt abschließend überprüften Fälle legen den Schluß nahe, daß es sich zumindest bei den bisher bekanntgewordenen Vorkommnissen um Einzelfälle handelt“, machte Königshaus deutlich.

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