© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

50 Jahre deutsch-französischer Freundschaftsvertrag
Wirtschaftsfeindschaft
Bernd-Thomas Ramb

Vor 50 Jahren wurde der Élysée-Vertrag geschlossen – der nach dieser langen Zeit immer noch vertieft werden muß? Ein deutsch-französischer Motor der europäischen Einheit, der wieder einmal ins Stottern gerät? Ist das Ganze eine Fehlkonstruktion oder wird einfach etwas zum Zusammenwachsen gezwungen, was nicht zusammengehört? Auf der persönlichen Ebene klappt alles hervorragend. Wer die Lebensart des anderen mag, verbringt dort seinen Urlaub, wenn auch eher Deutsche in Frankreich als umgekehrt.

Warum wird das, was privat auch ohne Verträge funktioniert, auf der politischen Ebene als nicht hinreichend empfunden? Die Antwort liegt, wie so häufig, im Wirtschaftlichen. Älter als der deutsch-französische Freundschaftsvertrag ist das Streben der Franzosen nach wirtschaftlicher Gleichrangigkeit mit Deutschland. Der größere deutsche Wirtschaftserfolg nagte am Ego der Grande Nation.

Deswegen wurden seit 1946 Vier- oder Fünfjahrespläne aufgestellt, in denen mittels „Planification“ bei der industriellen Produktion ein Übertreffen des deutschen Pro-Kopf-Einkommens angestrebt wurde. Geklappt hat es nie. Nach dem zehnten Plan, der 1992 endete, war Schluß. Bemerkenswerterweise zeitgleich mit der Vereinbarung des Maastricht-Vertrags einschließlich des Beschlusses zur Abschaffung der D-Mark. Doch selbst danach gelang es Frankreich nicht, mit der deutschen Wirtschaftsleistung gleichzuziehen. Die Ungleichheit mag deutschen wie französischen Politikern gleich stark peinlich sein, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Deutsche Regierungen möchten seit dem Fiasko des Dritten Reichs jedermanns Freund sein und im andauernden Schuldgefühl keinen verprellen oder gar demütigen. Franzosen leiden unter der Beschädigung ihres nationalen Ansehens, den glorreichen vergangenen Zeiten nachhängend.

Die wirtschaftliche Ungleichheit ist allerdings von den Ressentimentsunterschieden unberührt. Sie resultiert aus einer fundamentalen Verschiedenheit des Wirtschaftens. Die sparsame schwäbische Hausfrau und ihr Mann folgen eben mehrheitlich der selbstbeschränkenden Devise „Schaffe, schaffe, Häusle baue“. Franzosen lieben dagegen eher das „Savoir-vivre“ in Form des bewußten Lebensgenusses (wofür sie von vielen Deutschen beneidet werden) und überlassen den Rest der politischen Zentrale in Paris.

Nicht zuletzt wegen dieser Mentalitätsunterschiede konnte sich in Deutschland die Akzeptanz des freien Marktwirtschaftens bis hinauf zur industriellen Ebene durchsetzen, während in Frankreich die staatliche Verantwortung insbesondere für die Industrie ungebrochen eingefordert wird. Diese in sich verfeindeten Wirtschaftskonzeptionen lassen sich nun einmal nicht freundschaftlich vereinigen. Da hilft nur gegenseitige Toleranz – mit allen Konsequenzen.

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