© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

Ungefragte Heimholung
Ausstellung: Klaus Hähner-Springmühl
Christian Dorn

Der Ikarus, der war ein Bus – für den, der’s wirklich wissen muß. Die kalauernde Bemerkung wäre wohl trefflicher Kommentar zu der am kommenden Sonntag in Weimar zu Ende gehenden Kunstsschau „Abschied von Ikarus“, die sich als Fortschreibung des deutsch-deutschen Bilderstreits versteht. Diese präsentiert auch ein Dutzend einst staatskritischer und -ferner Künstler, die in ausholender Geste einfach wieder der Staatskunst der DDR eingemeindet werden.

Von dieser Art ungefragter Heimholung ist der 1986 in den Westen gegangene Maler Hans-Hendrik Grimmling, der seine DDR-Zeit autobiographisch als „Die Umerziehung der Vögel“ beschrieb, ebenso betroffen wie der 2006 verstorbene Klaus Hähner-Springmühl, dessen Bilder jetzt auch in der Schau „Geschlossene Gesellschaft“ der Berlinischen Galerie zu sehen waren. Eine umfassende Retrospektive dieses „Untergrund-Beuys“ (Der Spiegel) aus der DDR zeigt aktuell das von Christoph Tannert geführte Künstlerhaus Bethanien.

Der 1950 in Zwickau geborene Hähner-Springmühl gehörte zu den eigenwilligsten Künstlern des Ostens, der als radikaler Performer sein Leben selbst als Kunstprozeß führte und dokumentierte: als Boxer, Musiker und Künstler. Mit expressiven Bildkürzeln, Fotoübermalungen, provokanten öffentlichen Aktionen – etwa der Dekonstruktion des quasi-religösen Pionierlieds „Unsere Heimat“ – oder in den verstörenden Free-Jazz-Interventionen der Bläsergruppe „Kartoffelschälmaschine“ avancierte er von Karl-Marx-Stadt aus zu einem „Vorbild, an dessen Charisma, Kraft und Kompromißlosigkeit man sich (...) messen mußte, ob man wollte oder nicht“, so das Resümee des Fotografen Florian Merkel in dem auf 500 Exemplare limitierten Ausstellungskatalog, in dem zahlreiche Weggefährten an Hähner-Springmühl erinnern. Der Galerist Gunnar Barthel (einst „KB Clara Mosch“) beschreibt Hähner-Springmühls Arbeit unter Rückgriff auf Heidegger als ein „Sich-ins-Werk-Setzen“. Herausgeber Tannert trifft die Wirkung von Hähner-Springmühls Auftritt mit einem einzigen Satz: „Wenn er in sein Horn stieß, entgleiste die Zeit.“

Die Springmühl-Ausstellung im Berliner Bethenienhaus, Kottbusser Straße 10, ist bis zum 10. Februar täglich außer montags von 14 bis 19 Uhr zu sehen.Der Katalog kostet 25 Euro.

www.bethanien.de

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