© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

Blick in die Medien
„FR“: Nachruf auf das 68er-Sturmgeschütz
Toni Roidl

Jürgen Krahl, der Dialektiker des Frankfurter Sozialistischen Studentenbundes, roch nach Schnaps. Er peitschte uns auf. Revolutionäres Handeln sei das Gebot der Stunde. Kapitalismus führe zum Faschismus. Und so zogen wir wieder mal los in jenen wilden 68er-ff-Jahren. Wir, die Avantgarde der Revolution. Das Blut voller Adrenalin, in den grünen Parka-Taschen Marcuse und die Frankfurter Rundschau.

Bald flogen die ersten Pflastersteine gegen Banken. In den Straßenschluchten brüllendes Echo der Ho-Tschi-Minh-Rufe. Blaulicht zitterte, „Bullenschweine“ verdrückten sich. Wasserwerfer rollten heran. Nach wenigen Metern: das Rundschau-Haus. Fenster waren geöffnet, Redakteure streckten die rechte Faust heraus: zum Arbeitergruß. Schwang da nicht sogar einer aus dem 3. Stock eine rote Fahne?

Klarer Fall: Die Frankfurter Rundschau wurde verschont. Das Anliegen der radikalen Studenten sei ehrenvoll, die Reaktionen der Polizei überzogen, so die FR. Das wollten wir lesen – mindestens. Langsam sprach es sich auch herum, daß frisch examinierte Adorno-Schüler als Jungredakteure bei der Rundschau unterkamen.

Besonders ihr Feuilleton war die verlängerte Argumentations-Werkbank der Kritischen Theorie. Dann bestellte ich irgendwann das Abo ab, begann mein Volontariat – bei der Frankfurter Neuen Presse. Ich bekenne, das hat Geschmäckle! Zumal der Verlag Teile der Springerpresse druckte. Bei der täglichen Blattkritik fanden wir durchaus auch anerkennende Worte, wenn die FR-Konkurrenz ein Thema zuerst hatte. Und etwas neidisch bewunderten wir ihr dichtes Netz von Außenredaktionen im Frankfurter Umland.

Jetzt ist ihr Ende gekommen, die linkshegelianische Sirene ist verstummt. Doch ihr Tod freut keinen Journalisten. Er läßt keine Champagnerkorken knallen. Das gebieten Respekt und Anstand – konservative Tugenden eben. Und die hat auch ein antikonservatives Blatt verdient.

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