© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Ein sehr später Sieg
Potsdam: Nach jahrelangem Rechtsstreit setzen sich die Gründer einer katholischen Jungenschule vor Gericht durch
Steffen Königer

Sechs Jahre und drei Gerichtsinstanzen braucht es in Brandenburg, um mit einem privaten Gymnasium überhaupt in das Genehmigungsverfahren zu kommen. Doch nicht die Finanzierung oder der Standort waren Gegenstand des juristischen und medialen Schlagabtausches gewesen – die Potsdamer Stadtführung sowie das brandenburgische Bildungsministerium stießen sich an den Initiatoren und der Ausrichtung der Schule. Denn geplant ist ein reines Jungengymnasium unter der mutmaßlichen Obhut von Priestern des Opus Dei – offenbar zuviel des Tolerablen.

Wahlfreiheit der Eltern endlich durchgesetzt

Dabei sind die Eltern, die hinter der Schulform der monoedukativen Bildung, bei der also Jungen und Mädchen getrennt unterrichtet werden, weder rein katholisch und schon gar nicht alle Mitglied der Personalprälatur Opus Dei. Die 1928 vom mittlerweile heiliggesprochenen Josemaría Escrivá in Madrid gegründete Laienorganisation ist immer wieder Ziel von Anfeindungen als Sekte, zuletzt und seither als am häufigsten zitiert im von Hollywood verfilmten Roman „Sakrileg“ von Dan Brown. Seitdem machen wilde Gerüchte von „Bußpraktiken“ die Runde, die nirgends belegt, gleichwohl jedoch immer wieder von Medien aufgegriffen werden.

Ein kleiner Rückblick: Bereits vor zehn Jahren unternahm die zur Verwirklichung des Gymnasiums gegründete „Stiftung Freie Schulen Berlin-Brandenburg“ unter der Leitung von Christoph Rüssel Tuchfühlung zum Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) auf, die auf fruchtbaren Boden zu fallen schien. Zum Beirat zählten unter anderen der Vater von Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck, Leo-Ferdinand Graf Henckel von Donnersmarck, die Psychotherapeutin und Bestsellerautorin Christa Meves und der Kinderbuchautor Willi Fährmann. Zunächst schien der Weg bereitet und alle Türen offen, als es jedoch konkreter wurde, sahen sich Rüssel und sein Umfeld einem Sturm von Vorurteilen ausgesetzt. Während die Potsdamer Stadtoberen sich plötzlich auf den Mangel an geeigneten Gebäuden beriefen, die Stadtgrünen eine Postkartenaktion „Nein zu Opus Dei“ starteten (JF 15/07), zweifelte das Ministerium grundsätzlich an der Gesetzeskonformität der monoedukativen Bildung und lehnte im Mai 2007 alle Anträge ab. Somit mußte die Stiftung den Rechtsweg beschreiten und bekam zuerst vom Potsdamer Verwaltungsgericht Recht, im September 2011 bestätigte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg nochmals die Entscheidung.

Mittwoch vergangener Woche stellte sich schließlich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hinter die Initiatoren und schmetterte höchstrichterlich die Revision des Bildungsministeriums ab. Die im Grundgesetz garantierte Privatschulfreiheit schließe das Recht ein, Kinder nach Geschlechtern getrennt zu unterrichten, urteilte der sechste Senat unter dem Vorsitz von Richter Werner Neumann. Die Brandenburger Bildungsministerin Martina Münch (SPD) bedauerte das Urteil, ließ jedoch mitteilen, daß man nun keine weiteren Rechtsmittel mehr einlegen werde.

Für den Chef der maßgeblichen „Fördergemeinschaft für Schulen in freier Trägerschaft“, Horst Hennert, ist die größte Freude, daß sich die „Wahlfreiheit der Eltern endlich durchgesetzt habe“, wie er der jungen freiheit sagte. Man betreibe bereits seit fast 50 Jahren mit Erfolg ein Mädchengymnasium in Jülich, Nordrhein-Westfalen. Auch nach der Erklärung der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, keine städtisches Grundstücke für die geplante Jungenschule zur Verfügung zu stellen, gibt sich Hennert optimistisch: „Wir sind nun erst seit wenigen Tagen in der Lage, Ausschau zu halten, und haben schon einige Angebote.“ Auch sei es keineswegs so, daß man seitens der Fördergemeinschaft Jungs bevorzugen würde. Nun könne man auch zeitgleich die Pläne für ein reines Mädchengymnasium vorantreiben, so Hennert.

Freundliche Worte zu dem Vorhaben sind in der alten Preußenstadt Mangelware. Zaghaft regte Peter Schultheiß von der Fraktion Potsdamer Demokraten an, wenigstens die Möglichkeit einer Ansiedlung abzuwägen. Für den Vorsitzenden der Linkspartei, Sascha Krämer, passen Schule wie „reaktionäre und erzkonservative“ Katholiken nicht zur Tradition einer Stadt des Toleranzediktes. Nach Auffassung von Jakobs brauche man eine Jungenschule in keinem Fall.

Unterdessen sind im Potsdamer Norden Fakten geschaffen worden: In der einstmals für das Gymnasium vorgesehene ehemaligen Kaserne sind bereits Eigentumswohnungen eingerichtet worden. Derweil bietet die erst vor kurzem geschaßte Landesvorsitzende der CDU in Brandenburg, Saskia Ludwig, eine Alternative an: Die Schule solle doch einfach in das Potsdamer Umland ziehen, schlug die Kreisvorsitzende der Mittelmärkischen Union vor. „Sollte sich Potsdam weiter gegen einen Schulstandort in der Stadt sperren, unterstützen wir die Elterninitiative bei der Suche nach einem passenden Grundstück in Potsdam-Mittelmark.“

Die ursprünglich als Schulgebäude vorgesehene Kaserne: Längst zu Eigentumswohnungen umgebaut

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