© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Die große arabische Idee und was von ihr übrigblieb
Antikolonialismus: Vor fünfzig Jahren erlangte die Baath-Bewegung die Macht im Irak / Assad in Syrien als letzter Vertreter
Mario Kandil

Am 8. Februar 1963 putschte sich die Baath-Partei im Irak an die Macht und stürzte General Abd al-Karim Qasim, der seit 1958 Ministerpräsident und Verteidigungsminister gewesen war und nach dem Putsch hingerichtet wurde. Bereits einen Monat später, am 8. März 1963, übernahm die Baath-Partei auch in Syrien die Macht, die sie noch heute innehat. Für ein besseres Verstehen der momentanen Lage in Syrien ist es sinnvoll, sich näher mit der Baath-Partei zu befassen, die dort und im Irak ihren Ursprung hatte.

Zur Gründung der Partei kam es 1940 in Damaskus, wobei es zu dem Datum divergierende Versionen gibt. Jedenfalls waren die Sorbonne-Absolventen Michel Aflaq und Salah ad-Din al-Bitar die Gründer des Baath (arabisch für Wiedergeburt, Erneuerung). Den Ausdruck Wiedergeburt entnahm man den Schriften des italienischen Nationalisten, Demokraten und Freiheitskämpfers Giuseppe Mazzini. Von Beginn an gab es innerhalb des Baath zwei Strömungen, welche die beiden von den Parteigründern initiierten politischen Klubs vertraten. Seit 1944 zusammenarbeitend, vertraten diese zunächst nichtmarxistische Ideen des Sozialismus, orientierten sich jedoch nicht religiös, sondern nationalistisch. Der offizielle Gründungs- und Vereinigungstag des Baath als „Partei der arabischen Wiedergeburt“ ist der 7. April 1947. Ableger der Partei entstanden schon bald in Palästina, im Libanon und 1952 auch im Irak.

Das Programm der Baath-Partei läßt sich getrost als laizistisch und nationalistisch bezeichnen, und so propagierte sie die Einheit des arabischen Vaterlands, die Freiheit von den Kolonialmächten und einen (islamischen) Sozialismus. Daraus ergab sich das Motto „Einheit, Freiheit, Sozialismus“. Freiheit und Sozialismus waren hier keine einander ausschließenden Begriffe, sollten sich jedoch in der Realität immer wieder als Feuer und Wasser erweisen.

Dem Eintreten für Einheit entsprechend, setzte sich der Baath für die Vereinigung Syriens mit dem von Gamal Abdel Nasser geführten Ägypten zur Vereinigten Arabischen Republik ein, die jedoch bloß von 1958 bis 1961 hielt. Die Neuauflage von 1963 (diesmal nur noch eine Föderation zwischen Ägypten, Irak und Syrien) scheiterte bereits nach wenigen Monaten durch den von Nasser vollzogenen Austritt Ägyptens, das sich von nun an gegen die Baath-Regime in Syrien und im Irak stellte. Aus der angestrebten Einheit war am Ende Feindschaft geworden.

Freiheit und Unabhängigkeit von den in der arabischen Welt sehr verhaßten Kolonialmächten sowie der (islamische) Sozialismus hatten zur Folge, daß nicht nur westliche Ideen, sondern auch sehr viele Lebensvorstellungen aus dem Ostblock rezipiert wurden. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß sich sowohl Syrien als auch der Irak lange im Fahrwasser der UdSSR bewegten. Natürlich war auch das Organisationsprinzip der Baath-Partei, der „demokratische Zentralismus“, dem Ostblock entnommen.

Kämpfer des Panarabismus gegen die Kolonialmächte

Die Ideologie des Baath konnte in dieser Region der arabischen Welt auch deshalb so großen Erfolg erlangen, weil die Kolonialmächte oft genug willkürlich und ohne Rücksicht auf Volkszugehörigkeit die Grenzen am Reißbrett gezogen hatten. Darüber hinaus beuteten sie die Ressourcen, speziell Erdöl, ohne Rücksicht auf die Interessen der Einheimischen aus. Deren einmal erwachtes Selbstbewußtsein wollte jedoch diese Arroganz der Kolonialmächte nun nicht weiter hinnehmen, und hieran hatte die Baath-Ideologie einen wesentlichen Anteil.

War die Baath-Partei in Syrien und im Irak in ihrer Anfangszeit antikolonialistisch und antiimperialistisch mit Stoßrichtung gegen die „klassischen“ imperialistischen Mächte wie Frankreich und Großbritannien, wandte sie sich in der postkolonialen Ära dezidiert gegen die USA und Israel. Diese galten der Baath-Partei als Staaten, die de facto wie die früheren Kolonialherren auftraten und auf dem Rücken der arabischen Nation den eigenen Machtbereich ausdehnten. Für die überwiegende Mehrheit der Araber verkörpern die USA und Israel noch heute das „Reich des Bösen“.

Wie das Ägypten Nassers und dann das Libyen Gaddafis betrachteten sich die Baath-Parteien im Irak und in Syrien als engagierte Vorkämpfer des Panarabismus. Zwischen den beiden Parteien entbrannte seit dem Schisma von 1966 eine so tiefe Feindschaft, wie sie nur in dem konfliktreichen Verhältnis zwischen der UdSSR und der Volksrepublik China eine Parallele findet. Diese resultierte daraus, daß sich die beiden direkt aneinandergrenzenden Staaten Irak und Syrien als Regionalmächte in Rivalität zueinander begriffen.

Als Folge davon beteiligte sich Syrien 1990 trotz aller Vorbehalte gegen die US-Imperialisten auf der Seite der USA an deren Golfkrieg gegen den Irak Saddam Husseins. Dieser galt übrigens innerhalb des Baath ursprünglich als ein „Linker“, und auf seine und die Seite der irakischen Parteiführer hatte sich nach 1974 Michel Aflaq, der Mitbegründer der Partei, gestellt.

Um 1990 setzte der Westen seine Hoffnungen darauf, daß Syriens Baath-Partei unter dem seit 1970 herrschenden Alawiten Hafiz al-Assad wegen des Wegfalls der sowjetischen Unterstützung und ihrer erstmals nicht antiamerikanischen Haltung im Golfkrieg zugleich Reformen vornehmen und sich dem Westen annähern könnte. Dazu kam es jedoch nicht. Zwar führte Assad einige marktliberale Wirtschaftsreformen durch, änderte aber am politischen System nichts. Mit dem Tod Hafiz al-Assads gelangte 2000 in Syrien mit dessen Sohn Baschar al-Assad ein neuer Hoffnungsträger an die Macht, doch aus ihm ist für den Westen mittlerweile ebenfalls ein „Schurke“ geworden. Vielleicht auch deshalb, weil mit ihm die USA nach Saddam Hussein einen letzten Träger der Ideen des Baath eliminieren und so die arabische Welt noch stärker in einen US-kompatiblen Zustand versetzen wollen.

Die syrischen Baath-Parteiführer Amin al-Hafiz (l.) und Salah ad-Din al-Bitar (r.) besuchen im August 1963 den ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser; Flagge des Irak mit den drei Sternen für die panarabischen Staaten Irak, Syrien und Ägypten: Antikolonialismus und nichtmarxistischer Sozialismus

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