© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Haltungsnote
Eine Frage der Ehre
Hinrich Rohbohm

Freiheit gewonnen, Ehre verloren? Das zumindest könnte man inzwischen über Onur U. sagen. Der 19jährige steht im Verdacht, im Oktober vorigen Jahres auf dem Berliner Alexanderplatz gemeinsam mit fünf weiteren türkischstämmigen jungen Männern den 20 Jahre alten Jonny K., Sohn eines Deutschen und einer Thailänderin, vollkommen grundlos totgeprügelt zu haben. Der Fall hatte aufgrund seiner Brutalität bundesweit für Aufsehen gesorgt, zahlreiche Bürger zeigten sich geschockt. U. hingegen hatte sich nach der Tat in die Türkei abgesetzt.

„Ja, ich war dabei“ hatte er zwei Wochen später gegenüber der Bild-Zeitung zugegeben. Aber er habe einen anderen geschlagen. Den am Boden liegenden Jonny K. will er nicht bemerkt haben. „Ich würde nie einen treten, der am Boden liegt, das ist eine Frage der Ehre für mich“, hatte ihn das Blatt zitiert. Daß die anderen Beteiligten ihn als Haupttäter belasten, sei dagegen ein reines Ablenkungsmanöver. Und in die Türkei sei er nur gereist, weil sein Vater dort einen Grundstückstermin hatte und er ihn nicht allein fahren lassen wollte. In der kommenden Woche wolle er nach Deutschland zurückkehren und sich den Behörden stellen, hatte er damals angekündigt.

Inzwischen sind drei Monate vergangen. Onur U. weilt noch immer in der Türkei. Vielleicht ist der Grundstückstermin des Vaters komplizierter als gedacht. Vielleicht ist es ihm für eine Rückkehr nach Deutschland auch einfach noch zu kalt. Doch daß er inzwischen seinen deutschen Paß abgegeben haben soll und nun einzig die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, läßt eher anderes vermuten. Schließlich kann sich der Amateurboxer mit diesem Schritt einer Verfolgung durch deutsche Behörden leicht entziehen. Ein Vorgehen, das für Onur U. keine Frage der Ehre zu sein scheint.

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