© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Wer ist papstfähig?
Papstwahl: Die wichtigsten Kandidaten im Überblick / Italiener gelten wieder als Favoriten
Ronald Gläser

Wenn das deutsche Feuilleton die Wahl hätte, dann würde der nächste Papst auf jeden Fall ein Exot sein. Ein Latino oder ein Schwarzer an der Spitze der katholischen Kirche – das wäre mal eine Nachricht.

Im Konklave werden Überlegungen dieser Art sicherlich keine Rolle spielen. Nur soviel ist klar: Die in einigen Medien gehandelten Exotenkandidaten sind Außenseiter. Die Machtverhältnisse in Rom ändern sich nicht so schnell wie die Demographie im Westen. Von den 117 stimmberechtigten Kardinälen stammt die Hälfte aus Europa, alleine 28 aus Italien. Afrika und Lateinamerika hingegen kommen zusammen nur auf ein Viertel aller Kardinäle.

Das Neue an der Situation ist, daß der alte Papst noch lebt und seinem Nachfolger den Weg ebnen könnte. Es ist nicht klar, ob er das tun wird. Nach seinem Rücktritt ließ Benedikt mitteilen, er wolle keinen Einfluß auf die Papstwahl nehmen. Und er kann mit 86 auch nicht mehr selbst abstimmen. Ihm blieben nur noch wenige Tage, um einen Nachfolger auf den Weg zu bringen. Wenn er das will.

Vor dem Hintergrund seines Rücktritts, zu dem er sich bereits vor geraumer Zeit entschlossen zu haben scheint, ist die letzte Kardinalsernennung besonders wichtig: Vor einem Jahr ernannte der Heilige Vater 18 wahlberechtigte Kardinäle, die zum weit überwiegenden Teil aus Europa stammen, darunter auch den Berliner Erzbischof von Berlin, Rainer Maria Woelki, der mit fünf anderen deutschen Kardinälen (Joachim Meisner, Reinhard Marx, Karl Lehmann, Walter Kasper und Paul Josef Cordes) am Konklave im März teilnehmen wird.

Im November legte er noch einmal überraschend nach: Bei der zweiten, aus der Reihe fallenden Kardinalsernennung binnen eines Jahres fiel Benedikts Wahl plötzlich auf außergewöhnliche Kandidaten, darunter aus Indien, Nigeria und Kolumbien. Benedikt soll einmal vor seiner eigenen Wahl gesagt haben, der nächste Papst müsse aus Afrika oder Amerika kommen. Wollte er bestimmten Regionen im letzten Moment noch einen Vorteil verschaffen?

Tatsache ist, daß die Italiener dank ihrer zahlenmäßigen Stärke als Favoriten ins Rennen gehen: Allen voran gelten Angelo Scola, der Erzbischof von Mailand und ein Schüler von Benedikt, und Tarcisio Bertone, der Camerlengo und Stellvertreter Benedikts ab dem 28. Februar, als papabile, als mögliche Papstkandidaten also. Da vier weitere Italiener (Giovanni Battista Re, Mauro Piacenza, Gianfranco Ravasi, Angelo Bagnasco) als Kandidaten gelten, könnten sich deren Stimmen aber wie beim letzten Mal aufspalten.

Dann schlüge die Stunde der anderen: Es gibt drei Afrikaner, die als Kandidaten genannt werden: Francis Arinze (Nigeria), Peter Turkson (Ghana) und der frisch von Benedikt ernannte Kardinal John Onaiyekan (Nigeria). Auch nicht zu unterschätzen sind die Nordamerikaner, die mit 14 Stimmen den zweitgrößten Wählerblock stellen. Als mögliche Papstkandidaten gelten die Kanadier Marc Ouellet und Thomas Collins sowie die US-Bürger Sean O’Malley und Donald Wuerl. Die größten Chancen unter den Nordamerikanern werden jedoch dem Erzbischof von New York, Timothy Dolan, eingeräumt. Auch er wurde vor einem Jahr frisch ernannt.

Die Lateinamerikaner bringen es auf drei mögliche Kandidaten: Oscar Rodriguez (Honduraz), Leonardo Sandri (Argentinien) und den deutschstämmigen Odilo Scherer (Brasilien). Als absolute Außenseiter schließlich werden Luis Tagle (Manila), Oswald Gracias (Bombay) und Christoph Schönborn (Wien) gehandelt.

Aber Ratzinger galt 2005 auch nicht als ernstzunehmender Kandidat.

Foto: Francis Arinze: Der Nigerianer ist einer der ältesten potentiellen Nachfolger, was seine Chancen schmälert

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