© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Alter Wein in neuen Schläuchen
Italien: Kurz vor der Parlamentswahl wähnt sich die Linke vor historischem Sieg / Komiker Beppe Grillo als Zünglein an der Waage
Paola Bernardi

Berlusconi versucht die Stimmen der Italiener mit dem Geld der Italiener zu kaufen“, schäumte der zurückgetretene Ministerpräsident Mario Monti. Dem Parteivorsitzenden der Linken, Pier Luigi Bersani, warf er vor, noch immer der „alten Partei-Ideologie“ nachzuhängen. Und in einer Wahlveranstaltung in Mailand warnte er die Wähler, die Lombardei – diese wirtschaftlich wichtige Region – in die Hände der Lega Nord zu geben.

Harte und vor allem ungewohnte Kritik von Monti. Doch der Ton zwischen den Parteien ist rauher geworden. Statt Florett herrscht nun der Säbel.

Am 24. und 25. Februar wählt Italien ein neues Parlament. Diese Wahlen finden in einem Augenblick statt, in dem sich das Land in tiefer Depression befindet. Täglich schließen traditionelle Läden; Unternehmen und Fabriken gehen in Konkurs. Jeder dritte unter 25 Jahren ist arbeitslos. Die Arbeitslosenquote liegt auf dem höchsten Niveau seit den achtziger Jahren. Und die Staatsverschuldung stieg um mehr als 126 Prozent. Parallel dazu schrumpfte der Konsum. Es vergeht kaum eine Woche, da in Rom keine Demonstration gegen den Notstand im Lande stattfindet: Mal sind es schließende Krankenhäuser; mal überschuldete, wohnungslose Familien oder Rentner, die protestieren. Die Wohlfahrtsverbände schlagen Alarm. „Monti hat nur Steuern und Preise erhöht“, sagen verbittert die Kritiker des 69jährigen Wirtschaftsprofessors, der im November 2011 nach dem Rücktritt von Silvio Berlusconi als Regierungschef eingesetzt wurde. In Italien sehen viele in seiner vor allem im Ausland gelobten Sanierungspolitik ein Rezept für Rezession.

Die Mehrzahl der Italiener ist vom parteilosen Monti enttäuscht; denn er zwang in seinem Regierungsjahr vor allem die mittleren und unteren Schichten rigoros zur Kasse. In deren Augen steht Montis „Techniker“-Regierung für immer neue Repressalien gegen den kleinen Mann, während er vor drastischer Beschneidung der Staatsausgaben zurückschreckte.

Wer geglaubt hat, daß Monti mit seiner Kandidatur für eine neue Partei der Mitte unter dem umständlichen Namen „Scelta civica, con Monti per l‘Italia“ (Staatsbürgerliche Wahl mit Monti für Italien) nun zum großen politischen Hoffnungsträger für das Land wird, hinter dem sich Intellektuelle und Industrielle scharen, sieht sich getäuscht. Für Monti sprachen sich nur die kleine christlich-demokratische UDC, die Bewegung „Futuro e Libertà“ (FLI) Gianfranco Finis, des einstigen Chefs der post-faschistischen Allianza Nationale (AN), sowie Ferrari-Chef Luca Cordero di Montezemolo aus. Zudem tut sich der Wirtschaftsprofessor schwer, die Massen zu begeistern. Entsprechend liegen die Umfragewerte bei mageren 15 Prozent.

Die bisher größten Erfolgsaussichten haben die Linken, derzeit liegen sie bei knapp über 30 Prozent. Unter ihrem Spitzenkandidaten, dem 61jährigen Parteisekretär Pier Luigi Bersani, sieht sich dieses Sammelbecken von Linken und Ökologen zum ersten Mal dem Ziel zum Greifen nahe.

Erstmals könnte ein Kandidat der ehemaligen kommunistischen Partei als Regierungschef in den Palazzo Chigi einziehen. Sein Programm ist verschwommen, allerdings betont er immer wieder, die von Monti eingeschlagene Reformpolitik müsse weitergeführt werden. Er reiste nach Berlin und hofierte Angela Merkel, nachdem zuvor Monti die Kanzlerin besucht hatte. Schon spricht man vom „Berlin-Pakt“, sollten sich Monti und Bersani vereinen. Allerdings fordert Monti von der PD als Bedingung für eine Allianz die Abkehr von linksradikalen Strömungen und insbesondere von der Linkspartei SEL (Linke, Ökologie, Freiheit).

Der Dritte im Bunde, der 76jährige Medienzar und mehrfache Ministerpräsident Silvio Berlusconi, ist trotz der Serie von Skandalen stetig auf der Überholspur. Er, dessen Ende immer wieder prophezeit wurde, entpuppt sich wieder als wahres Werbegenie und mischt mit seinen Ideen die Parteienlandschaft energisch auf. Sein jüngster Coup, die Immobiliensteuer auf Eigenheime nicht nur abzuschaffen, sondern sogar zurückzuerstatten, und zwar in bar auf die Konten der Steuerzahler, hat die Werte des rechten Lagers, dem sich auch die Lega Nord angeschlossen hat, schlagartig in die Höhe getrieben. Umfragen zufolge trennen Berlusconi nur noch vier bis fünf Prozentpunkte von seinem alten Rivalen Bersani.

Alle Spekulationen könnten jedoch von der Fünf-Sterne-Bewegung (Cinque Stelle) des Komikers Beppe Grillo (JF 21/12) durchkreuzt werden. Geradezu magisch zieht er vor allem die Jungen an. Mit Slogans wie „Jagt die Politiker nach Hause“ schürt er den Unmut über die Polit-Klasse. Er tourt unermüdlich durch Italien. Wo immer er auftaucht, sind die Plätze überfüllt. Doch seine größte Fan-Gemeinde hat der 63jährige im Internet: Sein Blog ist der meistgelesene Italiens. „Wir wollen eine Mutter mit drei Kindern als Finanzministerin, denn die weiß, wie man spart“, mit solchen Sätzen begeistert er sein Publikum. Seine Bewegung soll sich bereits der 20-Prozent-Marke nähern.

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