© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

An dem Buch „Er ist wieder da“ von Timur Vermes verblüfft nicht zuletzt die Detailkenntnis des Autors. Denn die negative Monumentalisierung hat das konkrete Wissen zur NS-Zeit absurd verfallen lassen. Im Grunde ist das eine zwangsläufige Folge jedes Bemühens, Geschichte „einzufrieren“, um eine Formulierung von Claude Lévi-Strauss abzuwandeln. Lévi-Strauss hatte Maßnahmen, die Vergangenheit zu fixieren, rituell zu erinnern und jede Gegen-Deutung zu unterdrücken, schon bei primitiven Gesellschaften ausgemacht, deren Führer von der Angst befallen waren, es könnte jemand ernsthaft fragen, wie es eigentlich gewesen ist.

Nun also auch noch eine „Katholikenphobie“, nach der „Homophobie“, „Islamophobie“, „Xenophobie“ etc., pp und dergl. Nicht daß den Repräsentanten der katholischen Kirche das Recht abgesprochen werden soll, Angriffe abzuwehren und den Ton der Auseinandersetzung zu verschärfen, aber müssen weltanschauliche oder politische Gegner wirklich als geistig gestört betrachtet werden?

In bezug auf den Vorschlag, Suhrkamp dadurch zu retten, daß die zerstrittenen Haupteigentümer ihre Anteile an einen bisher unbeteiligten Dritten verkaufen, wird letzterer als „Weißer Ritter“ bezeichnet. Auch das ein Beispiel für die merkwürdige Wiedergängerei von Begriffen. „Der weis Ritter“ hieß ein spätmittelalterlicher Roman, vor allem aber war „Der weiße Ritter“ Titel jener Zeitschrift, die die weltanschauliche Basis für die „Bündische Jugend“ legte. Gemeint war mit der Bezeichnung St. Georg, Schutzpatron der Pfadfinder seit ihrer englischen Gründung, der allerdings einen sehr deutsch-romantischen Gestaltwandel erfuhr, so wie bei den Bündischen auch der Militarismus der Scouts umgeformt war durch das Erbe des Wandervogels.

Der Plan, die frühere evangelische Kapernaum-Kirche Hamburgs in eine Moschee umzuwidmen, trifft auf ein erstaunliches Maß an Skepsis. Jemand hat sogar daran erinnert, daß nach dem Fall Konstantinopels 1453 die größte Kirche der Christenheit, die Hagia Sophia, in eine Moschee verwandelt wurde. Das ist zugegebenermaßen lange her, vielleicht liegt ein anderes Beispiel näher: die Entweihung aller orthodoxen Kirchen in Nordzypern nach der türkischen Besetzung 1974 und deren Abriß oder folgende Nutzung durch muslimische Gemeinden.

Man hat in einigen Provinzstädten des Nordens eine Retrospektive des Graphikers und Malers A. Paul Weber veranstaltet, hat einen möglichst breiten Querschnitt seiner Zeichnungen, Radierungen und Schnitte gezeigt und prompt die Antifa auf den Plan gerufen. Die nutzt mit ihrem publizistischen Arm – der taz – die Gelegenheit, ein Ende solcher Propaganda für den „völkischen Nationalisten“ zu fordern. Man stört sich nicht nur an den Arbeiten Webers für das ganze Spektrum der Konservativen Revolution, sondern auch an der unkritischen Übernahme der Bilder zu Ernst Niekischs Broschüre „Hitler – Ein deutsches Verhängnis“ in deutsche Schulbücher, obwohl die gar nichts mit der reinen antifaschistischen Lehre zu tun haben. Weiter empört die Neigung der Ausstellungsmacher, allzu hastig über den Sachverhalt hinwegzugehen, daß Weber in der NS-Zeit nach kurzer Inhaftierung alles getan hat, um sich dem Kunstbetrieb anzudienen. Natürlich muß man die Kampagne nicht begrüßen, ist das Ganze denunziatorisch und abgestanden. Andererseits ist zuzugeben, daß die Sicht der Aufgebrachten akzeptabler ist als die Selbststilisierung Webers nach 1945, bei der er sich sehr bereitwillig die „Niekisch-Legende“ (Mohler dixit) zu eigen machte, das heißt den Eindruck erweckte, stets ein ganz kritischer Geist und Humanist gewesen zu sein und selbstverständlich auf der richtigen, also anderen Seite gestanden zu haben.

Bildungsbericht in loser Folge XXXIII: Die Meldung, daß sich die Zahl der Abiturienten mit der Durchschnittsnote 1,0 im Bundesland Nord-rhein-Westfalen zügig vermehrt (zwischen 2007 und 2011 von 455 auf 1000), sollte man im Zusammenhang mit einer zweiten lesen, daß nämlich von seiten der Kultusbürokratien gar nicht mehr geleugnet wird, daß die Lösung der einen oder anderen Reifeprüfungsaufgabe bereits in deren Text verborgen ist. Die nach wie vor irritierte Lehrerschaft tröstet der amtliche Hinweis, daß man sich zukünftig anstrengen werde, das Ganze besser zu kaschieren.

Die Ankündigung von Königin Beatrix, ihr Amt aus Altersgründen aufzugeben, hat nicht nur mit dem Vorbild ihrer Mutter Juliana und ihrer Großmutter Wilhelmina zu tun, sondern auch damit, daß die Niederlande gar keine echte Monarchie sind, sondern eine Art gekrönter Republik seit je. Anders verhält es sich mit dem Entschluß Papst Benedikts XVI. zum Rücktritt. Er steht an der Spitze der letzten Wahlmonarchie, die per se keinen Grundsatz „Der König ist tot – es lebe der König!“ kennt.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 1. März in der JF-Ausgabe 10/13.

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