© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Als der BND an Klaus Barbie Panzer verkaufte
Der Mainzer Historiker Peter Hammerschmidt über illegale politische Projekte des Bundesnachrichtendienstes in Lateinamerika
Wolfgang Kaufmann

Anfang 2011 berief der Bundesnachrichtendienst eine elfköpfige Historikerkommission, deren Aufgabe es ist, die Frühgeschichte des BND zu erforschen. Dazu gehört auch die Beantwortung der brisanten Frage, ob und in welcher Form der bundesdeutsche Auslandsgeheimdienst in die Politik anderer Staaten eingegriffen und sich damit einer eindeutigen Überschreitung seiner Kompetenzen oder gar Gesetzesverstößen schuldig gemacht hat.

Für die Arbeit der Historiker, darunter Klaus-Dietmar Henke, Rolf-Dieter Müller, Jost Dülffer und Wolfgang Krieger, waren vier Jahre veranschlagt. Aber wie das mit solchen Mammutprojekten so ist: kaum, daß die Ordinarien mit der Betulichkeit der Wohlbestallten ans Werk gingen, erschien schon das erste Buch, das Antworten lieferte, welche die Historikerkommission erst in den nächsten Jahren geben wollte: Anhand des Nachlasses des früheren BND-Residenten in Tunis, Richard Christmann, wiesen Matthias Ritzi und Erich Schmidt-Eenboom nach, daß der Bundesnachrichtendienst Ende der fünfziger Jahre aktiv in den Konflikt zwischen der Kolonialmacht Frankreich und der algerischen Befreiungsbewegung FLN eingegriffen hatte (JF 18/12).

Ebenso ist schon seit längerem bekannt, wie groß der Anteil von BND und CIA am Sturz der prokommunistischen Regierung Sukarno 1967 in Indonesien war. Hier ließ der damalige BND-Präsident Gerhard Wessel selbst die Katze aus dem Sack, als er 1968 vor dem Vertrauensmännergremium des Bundestages ganz selbastbewußt mit den Erfolgen bei der Unterstützung des indonesischen Partnerdienstes „Kakadu“ prahlte.

Zuletzt lenkte der Mainzer Doktorand Peter Hammerschmidt auch noch den Fokus auf Südamerika, Saudi-Arabien und den indischen Subkontinent. Wie aus seiner im österreichischen Fachblatt Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies veröffentlichten Studie hervorgeht, verschob der BND zur Zeit der Kabinette Erhard und Kiesinger – mit Wissen des Bundeskanzleramtes – zwischen 1965 und 1969 ausrangierte Waffensysteme der Bundeswehr in diverse Krisengebiete, darunter in die seinerzeit kriegführenden Staaten Indien und Pakistan. Damit versuchte die Bundesregierung zu verhindern, daß die Staaten der Dritten Welt ins Fahrwasser der Sowjetunion gerieten, welche durch den großzügigen Export von Kriegsgerät Verbündete zu gewinnen trachtete. Dennoch verstieß das Tun des BND sowohl gegen nationales als auch internationales Recht, deshalb bediente sich der deutsche Auslandsnachrichtendienst zur Tarnung der Schweizer Exportfirma Merex AG.

Das allein wäre schon skandalös genug. Doch im Falle der Waffendeals mit lateinamerikanischen Diktaturen kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: Offensichtlich griff der BND hier auf ein verzweigtes Netzwerk von Personen mit NS-Vergangenheit zurück. Dies belegt das gemäß dem „Nazi War Crimes Disclosure Act“ freigegebene Aktenmaterial der US-amerikanischen Sicherheitsbehörden, welches von Hammerstein ausgewertet wurde.

So war der Merex-Geschäftsführer Gerhard Mertins (BND-Deckname „Uranus“) ein hochdekorierter Fallschirmjägeroffizier der Wehrmacht und Förderer neonazistischer Organisationen. Ihm zur Seite stand Walter Drück, der noch am 20. April 1945 zum Generalmajor befördert worden war und nun ebenfalls als BND-Agent fungierte. Drück kontaktierte ab Sommer 1966 diverse „alte Kameraden“, welche sich in Lateinamerika niedergelassen hatten, darunter Friedrich Schwend, ab 1942 maßgeblich beteiligt am SS-„Unternehmen Bernhard“, also der großangelegten Fälschung englischer Pfundnoten.

Schwend war gerne bereit, Waffengeschäfte zwischen dem BND und südamerikanischen Regierungen einzufädeln und darüber hinaus auch im Zusammenspiel mit der Merex abzuwickeln. Zu diesem Zweck gründete er die Tarnfirma „La Estrella“, deren Mitinhaber kein Geringerer als Klaus Barbie alias Klaus Altmann war, also der berüchtigte Gestapo-Chef von Lyon. Außerdem holte Schwend noch den früheren niederländischen SS-Offizier Willem Sassen ins Boot, dessen Firma Tecnicum S.A. mit Sitz in Buenos Aires ebenfalls mit der Merex zu kooperieren begann.

Aufgrund der Bemühungen dieses Netzwerkes in Lateinamerika kam eine Vielzahl von Waffenlieferungen zustande. Beispielsweise erhielten die Streitkräfte des bolivianischen Putschgenerals René Barrientos Ortuño 1966 modernisierte M-41-Panzer, wobei „Klaus Altmann“ das offizielle Verkaufsangebot der Merex unterbreitete. Des weiteren gingen 1967 15 Kampfjets vom Typ F-86 „Sabre“ an den ebenfalls äußerst instabilen Andenstaat Peru, diesmal auf Vermittlung Schwends, der dafür eine halbe Million US-Dollar Provision kassierte.

Mit Amtsantritt der Regierung Brandt im September 1969 kündigte der Bundesnachrichtendienst zwar seine Geschäftsbeziehungen mit der Merex. Trotzdem initiierte der BND-Resident in Kairo, Gerhard Bauch, noch 1971 einen Verkauf von Stahlhelmen und Munition an das chilenische Heer. Aber in Santiago de Chile regierte nun die linksgerichtete Unidad Popular von Salvador Allende, dagegen mochten schließlich auch die Genossen der SPD nicht intervenieren.

Peter Hammerschmidt: „With the backing of the BND“. Die Waffendeals des westdeutschen Auslandsnachrichtendienstes mit lateinamerikanischen Diktaturen. Das Beispiel „Merex“, in: Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies, 1/2012

www.acipss.org/journal

Foto: Agententätigkeit des Bundesnachrichtendienstes zu südamerikanischen Diktaturen (Argentinien, Paraguay, Chile, Bolivien) in den sechziger Jahren: Waffenschieber-Netzwerke der „alten Kameraden“

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