© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Holger Strohm. Die grüne Ikone will sich nicht von „Rechts“ distanzieren
Der Standhafte
Tobias Schmidt

Ein „Grüner Pionier im Nazi-Sumpf“ sei er, einer „der mit den Nazis ‘gespielt’“ habe. Die Empörung der taz war nicht zu überhören, daß es ausgerechnet „die Anti-Atom-Ikone“ Holger Strohm unlängst gewagt hatte, einer rechten Umweltschutzzeitung ein Interview zu geben. Dafür sollte er wohl an die Wand geschrieben werden – indes, sonst wollte niemand in das linksalternative Wutschnauben mit einstimmen.

Dabei war Strohm, den die FAZ den „ersten ernstzunehmenden Kritiker der Atomindustrie in Deutschland“ nennt, noch im Sommer 2012 von der taz selbst zur „Person der Zeitgeschichte“ gesalbt worden, da er mit seinem 1971 erschienenen Buch „Friedlich in die Katastrophe“ der Anti-Atomkraft-Bewegung „ein seriöses Fundament“ gegeben und „durch seine Synthese von Umwelt- und Friedensbewegung“ gar einst „den Grünen die Raison d’être geliefert“ habe. Zunächst allerdings wollte das Buch keiner verlegen, achtzig Verlage lehnten das Manuskript ab, bis Strohm es im Eigendruck herausbrachte. Später nahm es der linke Verlag Zweitausendeins unter seine Fittiche und verkaufte bis heute weit über eine halbe Million Exemplare. Zuletzt steuerte ein ehemaliger Staatssekretär der SPD ein Vorwort für die Neuausgabe von 2011 bei.

Dabei war Genosse Strohm 1978 eben aus dieser Partei geflogen, weil er als Spitzenkandidat für die „Bunte Liste“, eine unter erheblichem Einfluß des Kommunistischen Bundes (KB) stehende Vorgängergruppierung der Grünen, bei den Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft angetreten war. Doch inzwischen war der 1942 in Lübeck geborene ehemalige Lehrer, der mittlerweile zum Erziehungswissenschaftler promoviert worden ist und dem manche allerdings ein Faible für Verschwörungstheorien nachsagen, zu einer Größe der (grünen) Bewegung geworden, als Fachmann unter anderem für den Bundestag wie für den US-Senat tätig gewesen.

Kein Wunder, daß das Ökologiemagazin Umwelt & Aktiv, das einigen als NPD-verbandelt, anderen einfach als nichtlinkes Medium gilt, nun aus Anlaß der Verfilmung seines Bestsellers Interesse an einem Gespräch mit dieser Institution zeigte. Was Strohm in dem Interview zu sagen hatte, konnte der taz allerdings kaum gefallen. So erklärte er etwa die politische Spitze der Grünen heute für „unglaubwürdig“, lediglich daran interessiert „Karriere zu machen“.

Doch bei Strohm war die Zeitung an den Falschen geraten, statt sich von dem Gespräch zu distanzieren, erklärte er: „Für mich ist politische Überzeugung kein Maßstab“, sondern das Handeln, und „nicht, was man sagt“, denn „in jeder Gruppierung gibt es gute und böse Menschen“. Damit aber hatte man bei der taz wohl nicht gerechnet – daß da einer mit dem linken Postulat vom „Selberdenken“ einmal tatsächlich Ernst macht.

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