© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Stefan Raab polarisiert
Paul Rosen

Das Fernsehduell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück ist etwa so vorstellbar: Nachdem Steinbrück sich zunächst darüber empört hat, daß es für diesen Auftritt zur besten Sendezeit kein Honorar gibt, fragt Ulrich Deppendorf (ARD) den Kandidaten nach seiner Haltung zur Einführung der Finanztransaktionssteuer. Steinbrück ist dafür. Merkel nickt schon während der Antwort und legt sofort nach, sie sei ebenfalls dafür; ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble habe den Gesetzentwurf bereits vorgelegt. Peter Frey (ZDF) darf der Kanzlerin danach eine Frage zum Mindestlohn stellen. Nach kurzen Hinweisen der CDU- und Regierungschefin, daß das bei ihr nicht Mindestlohn, sondern irgendwie anders heiße, aber im Prinzip genauso sei, legt Steinbrück mächtig nach und erklärt, daß er auch dafür sei – nur viel früher als Merkel.

Dritter Fall: die Energiewende. Merkel will alle Kernkraftwerke abschalten und mehr Windmühlen bauen, Steinbrück will mehr Windmühlen bauen und alle Kernkraftwerke abschalten. Wo bitte sind da noch Unterschiede? Der letzte, tatsächlich noch vorhandene kleine Unterschied darf im Zeitalter von Gender Mainstreaming nicht mehr thematisiert werden.

Kommt da nicht die Idee gerade recht, mit dem Unterhaltungs- und Humorexperten Stefan Raab etwas mehr Showbusiness in das Duell, das keines werden wird, zu bringen? Wenn schon die Kandidaten nicht mehr übereinander herfallen, dann sollte man doch wenigstens was zu lachen haben. „Wer Zeuge war, wie Deppendorf einmal vor laufender Kamera den ostdeutschen Katholiken Wolfgang Thierse zum evangelischen Pastor machte, der kann den Blödeleien eines Stefan Raab mit größtmöglicher Gelassenheit entgegensehen“, empfiehlt Alexander Kissler auf Cicero Online. Es könnte doch wenigstens lustig werden, wenn Raab angesichts der heruntergezogenen Mundwinkel der Kanzlerin diese auffordert, ein Kindergedicht vorzutragen oder Steinbrück bittet, ein Liedchen zu singen. Dieses „Duell“ würde in die Fernsehgeschichte eingehen und glatt den Quotenhit „Dschungelcamp“ ausstechen.

Dazu wird es natürlich nicht kommen: „Politik ist eine ernste Sache, und Fernsehen, das sich mit Politik befaßt, sollte auch eine ernste Sache sein“, schreibt bereits der neue Jakobiner Jakob Augstein vor. Ein Kanzlerduell mit Raab ergebe ebensowenig Sinn wie überhaupt eine politische Talkshow mit Raab, schränkt Augstein den Kreis der Moderatoren auf Langweiler wie Illner, Maischberger, Will und Plasberg ein. Andere dürfen keine Talkshows machen, und kommentieren dürfen ohnehin nur Frey und Deppendorf, vielleicht noch Claus Kleber.

Wer wie Raab in seiner bisher wenig beachteten Sendung „Absolute Mehrheit“ den Zuschauern das Recht gibt, Politiker aus der Sendung per Telefonabstimmung herauszuwählen, hat ohnehin nicht verstanden, wie der Laden in Berlin funktioniert.

Dem Zuschauer immerhin bleibt eine Alternative: Er mutiert zum Abschalter und nimmt ein gutes Buch zur Hand.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen