© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

EU und USA wollen größte Freihandelszone der Welt schaffen
Hormone und Blinker
Markus Brandstetter

Zwischen der EU und den USA spielt sich der größte bilaterale Warenverkehr auf der ganzen Welt ab. In jedem Jahr wird weltweit die Hälfte der Wirtschaftsproduktion zwischen den USA und der EU hin- und hergeschoben. Die Amerikaner haben dreimal soviel Geld in der EU investiert wie in Asien, die Europäer in den USA gleich achtmal soviel wie in Indien und China zusammen.

Seit Jahren ist eine transatlantische Freihandelszone (Tafta, JF 20/03) im Gespräch, um das beiderseits lahmende Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Berechnungen der EU-Kommission haben ergeben, daß die Abschaffung sämtlicher Handelsbarrieren das Bruttosozialprodukt (BSP) der Euro-Zone um ein halbes Prozent und das der USA um ein ganzes ansteigen ließe. Würden zusätzlich zu den Zöllen auch noch die meisten anderen Handelsbeschränkungen fallen, dann soll sich das BSP jeweils um drei Prozent erhöhen und sieben Millionen neue Arbeitsplätze entstehen.

Der Unterschied zwischen Zöllen und allen anderen Handelsbeschränkungen zeigt schon, wo das Problem liegt: nicht bei den Zöllen. Die erreichen in Einzelfällen zwar manchmal 25 Prozent, liegen im Schnitt aber bei drei Prozent. Das wahre Hindernis liegt bei den Non-tariff barriers (NTB), Tausenden von Regeln und Vorschriften, die Millionen unterschiedlicher technischer, chemischer und landwirtschaftlicher Produkte betreffen. Ganz oben auf der Liste der Einfuhrbeschränkungen stehen Autos, Chemikalien, Pharmaka und Agrarprodukte. Manche der Handelshemmnisse sind dermaßen kompliziert und abstrus, daß es hart an das Lächerliche grenzt.

Bei den Autos etwa gelten bei Amerikanern und Europäern jeweils andere Standards beim Kinder- und Unfallschutz, also muß jeder Exporteur im Importland nochmals einen Crashtest durchführen. Blinker an EU-Fahrzeugen leuchten ausschließlich gelb, solche an US-Fahrzeughecks meist rot, also müssen alle europäischen Fabrikate für die amerikanischen Straßen umgerüstet werden. Die US-Farmerlobby will Hormonfleisch und genveränderte Agrarprodukte in die EU-Länder exportieren, viele Europäer laufen dagegen seit Jahren Sturm. Für ein amerikanisches Arzneimittel, das seit Jahren in den USA eingesetzt wird, ist in der EU eine komplette Neuzulassung fällig.

All diese Beschränkungen sollen nun binnen weniger Jahre vom Tisch – das klingt gut, ist aber unrealistisch. Die Positionen auf beiden Seiten des Atlantiks sind vollkommen festgefahren, mächtige Lobbys mit Geld und Einfluß haben null Interesse daran, die Stacheldrahtverhaue, die sie in Jahrzehnten um ihre Positionen gezogen haben, nun zu entfernen. Die Realität könnte eine andere sein: Gut bezahlte Bürokraten verhandeln – genau wie bei der Doha-Welthandelsrunde – auf beiden Seiten so lange, bis das ganze Projekt langsam, still und leise in Ausschüssen und Gremien versandet.

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