© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Schwache Strompreisbremse
Energiepolitik: Die wahlkampfgetriebene Reform der Ökostromförderung geht in die richtige Richtung, ist aber rechtlich sehr heikel
Klaus Peter Krause

Die Bundesregierung hat kalte Füße bekommen. Die Stromverteuerung ist ein Medienthema geworden. Die Bürger sind aufgeschreckt – und das vor der Bundestagswahl. Zu viele wissen inzwischen, daß der Strompreis im wesentlichen durch staatliche Einwirkung steigt, zumal als Folge des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). So hat sich der Verbraucherpreis für Strom von 2000 bis 2012 verdoppelt. Das trübt die Aussichten für den 22. September, und so nimmt denn die schwarz-gelbe Koalition die Bürger wieder als Wähler wahr.

Das EEG-Regelwerk treibt den Preis weiter nach oben (JF 43/12). Die Betreiber von Anlagen, die mit Wind, Sonne oder Biogas Strom erzeugen, erhalten dafür eine staatlich garantierte Vergütung. Ohne sie wäre diese Stromerzeugung unrentabel, und niemand hätte sie begonnen. Diese Vergütung summiert sich auf Milliardenbeträge und wird (nach Verrechnung mit Stromverkaufserlösen an der Strombörse in Leipzig) als EEG-Umlage auf den Verbraucherpreis aufgeschlagen. 2012 sind das rund 17 Milliarden Euro gewesen.

Die Umlage liegt bei 5,28 Cent je Kilowattstunde (kWh), 2012 waren es noch 3,59 Cent gewesen. Auf die 5,28 Cent kommen noch 19 Prozent Mehrwertsteuer drauf. Tatsächlich also wird der Stromverbraucher mit 6,28 Cent je kWh zusätzlich belastet. Mit jeder weiteren Ökostromanlage steigt diese Umlage EEG-bedingt weiter. Die Branche ist mit diesen und anderen Staatshilfen übersubventioniert. Daher setzt sich das Errichten von Anlagen fort und folglich die Stromverteuerung ebenfalls.

Weil sich das vor der Wahl nicht so gut macht, haben sich die beiden zuständigen Bundesminister Peter Altmaier (Umwelt) und Philipp Rösler (Wirtschaft) vorige Woche darauf verständigt, die EEG-Umlage bis 2014 auf den derzeitigen 5,28 Cent festzuschreiben. Erst 2015 soll sie wieder steigen dürfen, aber nicht mehr als jährlich um 2,5 Prozent. Gelingen soll das mit dem Drehen an verschiedenen Schräubchen und noch mehr bürokratischem Klein-Klein.

Für Neuanlagen wollen die Minister die Vergütung für den eingespeisten Ökostrom in den ersten fünf Monaten von der Inbetriebnahme an auf den niedrigeren Marktpreis begrenzen. Gelten soll das für alle Anlagen, die vom 1. August 2013 an in Betrieb gehen, nur für die Solarstomanlagen nicht. Mit dem sechsten Monat dann ist vorgesehen, die Vergütung zu senken: für neue Windkraftanlagen an Land von derzeit knapp neun auf acht Cent, für alle anderen neuen einmalig um vier Prozent.

Für alle Anlagen, die vor dem 1. August in Betrieb gegangen sind, soll die Vergütung pauschal um 1,5 Prozent sinken, aber nur für 2014. Gestrichen wird der Bonus für die Systemdienstleistungen (SDL) und für das Ersetzen alter durch neue Anlagen mit höherem Wirkungsgrad (Repowering), was jetzt 0,48 Cent je kWh bringt. Neuanlagen sollen ihren Strom selbst verkaufen und haben keinen Anspruch mehr auf eine feste Einspeisevergütung (verpflichtende Direktvermarktung), ausgenommen Anlagen mit einer Leistung unter 150 kW.

Abgeschafft werden soll die Management-Prämie, ebenso der „Gülle-Bonus“. Er wurde mit der EEG-Novelle 2008 rückwirkend auch für damals schon bestehende „Biomasse“-Anlagen eingeführt. Dies betrifft Anlagen, die zwischen 2004 und 2008 in Betrieb gegangen sind. Stromintensive Industriebetriebe müssen mit Einbußen bei ihren Ausnahmeregelungen rechnen (JF 7/13). Ihre sogenannte Mindestumlage wird angehoben. Eingeführt wird eine solche Umlage bei allen Betrieben für ihre Eigenerzeugung und ihren Selbstverbrauch an Strom, ausgenommen Anlagen mit einer Leistung von weniger als zwei Megawatt sowie Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Stromintensive Branchen, die „nicht im intensiven internationalen Wettbewerb“ stehen, sollen die besondere Ausgleichsregelung verlieren. Alle diese Neuregelungen sollen durch eine Änderung des EEG zum 1. August 2013 in Kraft treten, bei weiteren Maßnahmen einseitige Belastungen der Industrie und der Netzbetreiber vermieden werden. Unverständlicherweise ausgenommen von den Kürzungen sind ausgerechnet die Photovoltaikanlagen mit ihrem Solarstrom. Dieser Strom ist der allerteuerste überhaupt.

Die Windkraftindustrie und andere Subventionsprofiteure reagieren empört: Die geringere Vergütung gefährde die Finanzierung. Sie reden von Vertrauensschaden: Die Investoren würden von nun an zusätzliche Risikoprämien verlangen. Berufen können sie sich darauf, daß ihnen das EEG einen besonderen Vertrauensschutz gewährt. Die jeweils auf tatsächlich zwanzig Jahre zugesicherte EEG-Subvention kommt einem Eigentumsanspruch gleich. Auf ihn muß Verlaß sein, Eigentumsrechte sind im Grundgesetz geschützt, rückwirkende Gesetzeseingriffe in so ein Recht daher grundsätzlich nicht möglich. Legitimiert sein könnten sie allenfalls durch „überragende Gemeinwohlinteressen“ oder wenn es gilt, „schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter“ zu beheben. Die Bundesregierung könnte sich hierbei auf ein Gutachten des Rechtswissenschaftlers Stefan Klinski (HWR Berlin) von 2009 stützen. Bei einer nachträglichen Änderung der geltenden Vergütungssätze für die Zukunft handele es sich um eine sogenannte unechte Rückwirkung. Die sei grundsätzlich erlaubt. Falls nachträglich festgestellt werde, daß die gezahlten Vergütungen wirtschaftlich zu hoch seien, könne der Gesetzgeber in die laufende Vergütung und deren Bedingungen eingreifen.

Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch nur ein winziger. Aber rechtlich ist er sehr heikel. Es wäre eine weitere Aushöhlung der Eigentumsrechte und ein Untergraben der Rechtssicherheit. Solche Eingriffe dürfen nicht einfach deswegen gerechtfertigt sein, nur weil ihr Zweck gut ist. Mit ihnen sinkt die Hemmschwelle für weitere Eingriffe in die Eigentumsrechte. Richtig dagegen wäre es, alle neuen Anlagen überhaupt nicht mehr zu subventionieren, dies aber rechtzeitig anzukündigen.

Vollständiger Text zur EEG-Reform: www.bmu.de

Foto: Wind- und Solaranlagen: Ob die staatlich garantierte EEG-Subvention gekürzt werden darf, ist umstritten

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