© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Zeitschriftenkritik: Sezession
Eigenes und Wesentliches
Nils Wegner

Nicht erst seit dem Aufkommen der „Identitären“ in Europa stellt sich die Frage nach dem, was „uns“ eigentlich ausmacht. So steht denn auch die 52. Ausgabe der Sezession unter dem Leitthema „Wir selbst“, und mehr als ein Dutzend Autoren ist zur Erörterung des Problems angetreten.

Längst nicht alle Beiträge stammen von Autoren aus dem Umfeld des Instituts für Staatspolitik. Eine größere Sensation ist die Gewinnung des französischen Schriftstellers Richard Millet, der schon seit Jahren mit kultur- und einwanderungskritischen Texten den Zorn des linken Establishments auf sich zieht. 2012 dann veröffentlichte Millet unter anderem eine polemische Literarische Lobrede auf Anders Breivik; der darauf folgende Feuilleton-Aufschrei hatte den Verlust seiner Anstellung beim französischen Gallimard-Verlag zur Folge. In der Sezession reflektiert der Autor ungebrochen rebellisch über Abkehrmöglichkeiten von der heutigen massengesellschaftlichen Kulissenschieberei: „Der freiwillige Ausschluß als Antwort auf den unbedingten Willen zur Einbeziehung, wie er für den gutmenschlichen Diskurs typisch ist“ – hier wird sich der regelmäßige Sezession-Leser an die „expressive Loslösung“ Götz Kubitscheks erinnern (JF 42/12).

Kubitschek selbst sinniert denn auch über „Wir selbst, das Wesentliche und das Magnetische“. Ausgehend von Hans Zehrers Bestimmung des „Wesentlichen“ weist er darauf hin, daß alle Dissidenz Gefahr liefe, in Genügsamkeit zur „haltenden Macht“ (Hans Freyer) der bestehenden Ordnung zu erodieren. Dieser möglichen Entwicklung erteilt Kubitschek jedoch eine scharfe Absage und führt drei Beispiele „expressiv losgelöster“ Lebensentwürfe an, deren Träger der Versuchung des Arrangements widerstanden hatten. Die Position des unbedingten und fundamentalen Widerstands sei die einzig würdige – allein schon, um vor dem Hintergrund des allfälligen politischen Wachkomas einen authentischen Standpunkt zu beziehen. „Wir haben ein Gespür dafür, wo noch etwas verhandelt wird und ein Rad sich noch ohne Routine dreht. Auf diesen Punkt richten wir uns aus.“

Ausführlich widmet man sich ebenfalls dem 20. Jahrestag des Erscheinens des „Anschwellenden Bocksgesangs“. Während Karlheinz Weißmann den seinerzeitigen Skandal um den 1993 erschienenen Essay Botho Strauß’ ins Gedächtnis ruft und Hintergründe beleuchtet, spürt Sebastian Hennig kenntnisreich dem Spannungsverhältnis zwischen Ästhetik, Kunst und Politik nach. Aus dem, wie von Strauß prophezeit, nicht stattgefundenen „Leitbild-Wechsel“ resultiert die Frage nach den verbliebenen Optionen. So greift Harald Seubert die Frage Erik Lehnerts nach den „Denkstilen“ in der 50. Sezession-Ausgabe (JF 42/12) wieder auf und wägt feinfühlig zwischen „Anschlußfähigkeit, Mimikry, Provokation“. Neben Würdigungen der Jubilare Günter Maschke und Ernst Nolte runden zwei sehr persönliche Heimatartikel aus den Federn Martin Lichtmesz’ und Heino Bosselmanns das umfangreiche Heft stimmig ab.

Kontakt: Edition Antaios, Rittergut Schnellroda, 06268 Steigra, Telefon/Fax: 03 46 32 / 9 09 42

www.sezession.de

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