© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Kultische Verehrung
Nofrete-Ausstellung in Berlin: „Im Licht von Amarna“
Fabian-Schmidt-Ahmad

Echnaton, der Ketzerkönig. Seit jeher ranken sich Mythen um jenen Pharao (um 1350 v. Chr.) des Neuen Reiches, der mit der überkommenen Welt der ägyptischen Götter brach und seinen Herrschaftsanspruch alleine auf dem sich im Lichte offenbarenden Sonnengott Aton gründete. Das hundertjährige Ausgrabungsjubiläum seiner neugegründeten Hauptstadt Achet-Aton, des heutigen Amarna, hat das Neue Museum in Berlin zum Anlaß genommen, bisher noch nicht gezeigte Fundstücke zu präsentieren, die ein lebendiges, eindrucksvolles Bild jener Zeit vermitteln.

In dem Maße, wie Echnaton die anthropomorphe Götterwelt bekämpfte und an ihre Stelle die nichtdingliche Verehrung des Lichtes setzte, veränderte er das Selbstverständnis der pharaonischen Herrschaft. War es zuvor Aufgabe des Pharaos, durch den göttlichen Teil seiner Natur Mittler zwischen Götter- und Menschenwelt zu sein, so konnte das jetzt nur durch seine menschliche Natur geschehen. Echnaton inszenierte sich und seine Hauptfrau Nofretete so als Kristallisationspunkte kultischer Verehrung, die einen radikalen Bruch in der kanonisierten Darstellung der Götterwelt bedeuteten.

Eine Sakralisierung des Menschlichen, eine ungeheure Revolution in der Kunst war die Folge, wie sie der spektakulärste Fund der Deutschen Orient-Gesellschaft zum Ausdruck bringt. Am 6. Dezember 1912 notierte Ludwig Borchardt in das Grabungsbuch elektrisiert den Fund einer Büste von außergewöhnlicher Schönheit. „Beschreiben nützt nichts, ansehen.“ Die Besucherströme, welche seitdem die Porträtbüste der Nofretete anzieht, zeigen wohl am plastischsten die Wirkung dieses neuen Kunststils.

Es soll Echnaton selbst gewesen sein, der die in Achet-Aton versammelten Künstler den neuen Stil lehrte, allen voran dem Bildhauer Thutmosis, dessen Werkstatt sich für die deutsche Grabungsexpedition als Glücksfund erwies. Die in der Ausstellung teilweise erstmals der Öffentlichkeit präsentierten Objekte verdeutlichen, wie diese neue Lehre wohl vermittelt wurde. Es sind Gesichtsstudien, Gipsabformungen und andere scheinbar unspektakuläre Hilfsmittel des künstlerischen Handwerks, die mit ihrem genauen Blick auf das Individuelle seltsam nahe wirken. Eine erste Hymne auf das Menschlich-Schöne, wie sie tausend Jahre später in der hellenischen Kunst aufblühen wird.

Die Ausstellung „Im Licht von Amarna. 100 Jahre Fund der Nofretete“ ist bis zum 13. April im Neuen Museum in Berlin, Bodestr. 1-3, täglich von 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr, zu sehen. Der Katalog mit 496 Seiten kostet 29,95 Euro.

www.neues-museum.de

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