© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Lockerungsübungen
Stimme der Bürger
Karl Heinzen

Die Plagiatsjäger der jüngsten Zeit haben unter Beweis gestellt, daß es beherzten Einzelnen sehr wohl möglich ist, auf die nach dem Empfinden vieler Bürger von der Gesellschaft entkoppelte Politik einzuwirken. Ihre Erfolge haben die Demokratie allerdings nicht gestärkt. In Guerillamanier wurden bloß einzelne Politiker ins Visier genommen, um sie persönlicher Verfehlungen zu überführen und zum Rücktritt zu treiben. Ihre Politik stand dabei nicht zur Debatte, und auch die Frage, wie Regierung und Parlament besser kontrolliert werden könnten, damit sie dem Bürgerwillen Rechnung tragen, wurde nicht aufgeworfen.

Dieser Aufgabe will sich nun jedoch die neue Plattform LobbyPlag annehmen, die der Journalist Richard Gutjahr und die Firma OpenDataCity auf den Weg gebracht haben. Sie soll aufdecken, inwieweit es Lobbyisten gelingt, auf die Gesetzgebung Einfluß zu nehmen – und dies nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auf europäischer Ebene. Bereits beim Pilotprojekt, der neuen Datenschutz-Grundverordnung der EU, soll dies in großem Stil gelungen sein. Ganze Passagen in Anträgen von Parlamentariern wurden, so Gutjahr, wörtlich aus Papieren von Ebay oder Amazon übernommen. Beflügelt durch diesen detektivischen Coup hat er daher verkündet, LobbyPlag zu einem umfassenden „EU-Transparenz-Tool“ ausbauen zu wollen.

Gedient wäre damit aber lediglich den Selbstvermarktungsinteressen der Initiatoren und nicht der Demokratie. Lobbyisten sind als Vertreter von Partikularinteressen Teil der Gesellschaft. Es mag ja unumgänglich sein, daß die Bürger insgesamt ihren Willen nicht mehr zur Geltung bringen können. Mächtige organisierte Interessen aus ihrer Mitte sorgen aber immerhin dafür, daß die Politik nicht nach Belieben schalten und walten kann. Sie bringen zudem jenen Sachverstand zu speziellen Themen ein, an dem es Regierungen, Parlamenten und Verwaltungen zumeist mangelt. Die Alternative zum Lobbyismus ist nicht die unverfälschte Demokratie, sondern ein autoritäres Regime, in dem Politiker allein unter sich aushandeln, welchen Regeln die Gesellschaft zu folgen hat. Diesen Weg hat Europa mit seinem Vertragswerk unverkennbar eingeschlagen. Wer den Lobbyisten in den Arm fällt, schwächt die letzten, die in Brüssel noch für die Bürger die Stimme erheben.

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