© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Irgendwann kommt der große Knall
Täglich fällt extraterrestrisches Material auf die Erde, doch Einschläge wie jetzt im Südural sind selten
Wolfgang Kaufmann

Das sind keine fallenden Meteoriten, sondern die Amerikaner testen neue Waffen“, entgegnete Wladimir Schirinowski auf Meldungen, daß das unbekannte Flugobjekt, das im Südural niedergegangen ist, kosmischen Ursprungs war. „Da fällt nie irgendwas runter. Wenn etwas fällt, dann von Menschenhand. Menschen, die Kriege anzetteln wollen, Provokateure“, mutmaßte der Duma-Abgeordnete und Chef der Liberaldemokratischen Partei Rußlands.

Doch die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos bestätigte den Meteoritenschauer, der vorigen Freitag unweit der Stadt Tschebarkul niederging. „Der Eintritt derartiger Objekte in die Atmosphäre sei zufallsbedingt und schwer voraussagbar“, erläuterte Roskosmos. Wegen seiner ungewöhnlichen Flugbahn sei der Meteor, der mit 30 Kilometern pro Sekunde herniederkam, zunächst nicht registriert worden. Trümmerteile des Objekts verursachten in sechs Städten des Gebiets Tscheljabinsk Schäden, tausende Personen erlitten Verletzungen.

Und anders als Schirinowski glaubt, fallen täglich rund hundert Tonnen extraterrestrischen Materials auf die Erde, aber selten kommt es zum Einschlag größerer Meteoriten oder gar Asteroiden, also Kleinplaneten. Derartige Impakte erzeugen dann charakteristische geologische Strukturen, von denen derzeit rund 200 bekannt sind. Zwei befinden sich auf deutschem Boden, nämlich das Nördlinger Ries mit einem Durchmesser von 24 Kilometern und das Steinheimer Becken, welches 3,8 Kilometer mißt. Sie sind Resultat eines Doppeleinschlages, der vor 14,9 Millionen Jahren stattfand. Möglicherweise kommt auch noch das Chiemgau-Streufeld zwischen Altötting und den Voralpen hinzu, jedoch wird die kosmische Herkunft der 80 Krater von nicht wenigen Wissenschaftlern bestritten, wohingegen das „Chiemgau Impact Research Team“ unwiderlegbare Beweise dafür sieht, daß es dort zu einem Meteoritenschauer gekommen sei. Ähnlich umstritten ist die Tunguska-Explosion, die 1908 im sibirischen Gouvernement Jenisseisk stattfand. Hier ist auch eine vulkanische Eruption nicht ausgeschlossen.

Die deutschen Impaktstrukturen rangieren im Mittelfeld, viel größer sind der schon recht erodierte Vredefort-Krater in Südafrika (300 Kilometer Durchmesser) oder der Sudbury-Krater in Ontario (Kanada) mit seinen 250 mal 200 Kilometern. Mondkrater haben sogar eine deutlich größere Ausdehnung, ganz zu schweigen vom Aitken-Becken nahe dem Südpol unseres Erdtrabanten, das 2.240 Kilometer Durchmesser aufweist. Der Rekordhalter mit 3.200 Kilometern ist die Tiefebene Utopia Planitia auf der Nordhalbkugel des Mars.

Wenn ein Meteorit oder Asteroid einschlägt, werden ungeheure Energien frei. Bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 15 bis 25 Kilometern pro Sekunde erzielt schon ein Objekt mit einer Größe von sechs Metern die gleiche Sprengkraft wie die Hiroshima-Atombombe. Noch weitaus dramatischer verliefen allerdings die größeren Impakte, in deren Folge Krater wie die von Vredefort und Sudbury entstanden. Hier trafen Himmelskörper von mehr als zehn Kilometern Durchmesser auf die Erde, wobei eine Energiemenge freigesetzt wurde wie bei der Explosion von mehreren Millionen Megatonnen TNT.

Die Folgen sind in solchen Fällen weltweit zu spüren: Einerseits kann das aufgewirbelte Auswurfmaterial den Himmel verdunkeln und für länger anhaltende Abkühlungsphasen sorgen. Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, daß durch die Verdampfung enormer Gesteinsmengen plötzlich extrem viel Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt, insonderheit wenn der Treffer in Kalkstein erfolgt, welcher 44 Prozent kristallin gebundenes CO2 enthält.

Das Resultat ist dann logischerweise eine deutliche Verstärkung des natürlichen Treibhauseffektes. Bei größeren Impakten kommt es also auf jeden Fall zu ebenso plötzlichen wie extremen Veränderungen des Klimas und damit zu einem Artensterben. Ein Beispiel hierfür ist das Chicxulub-Ereignis vor 65 Millionen Jahren, welches für das weltweite Verschwinden der Saurier zum Ende der Kreidezeit verantwortlich scheint. Damals traf ein mehrere Kilometer großes Objekt die Yucatán-Halbinsel im heutigen Mexiko und hinterließ einen Krater von 180 Kilometern Durchmesser. Ebenso kann die Massenextinktion anläßlich des Übergangs vom Eozän zum Oligozän vor 35 Millionen Jahren impaktbedingt gewesen sein – immerhin entstanden zu dieser Zeit sowohl der nordsibirische Popigai- als auch der Chesapeake-Bay-Krater an der US-Ostküste mit einer Größe von 100 beziehungsweise 85 Kilometern.

Deshalb wäre es ein wirklich sinnvoller Beitrag zum Klima- bzw. Artenschutz, sich gegen künftige Einschläge größerer Himmelskörper zu wappnen. Zwar wird der berühmt-berüchtigte „Killer-Asteroid“ 2004 MN4, genannt Apophis, die Erde am Freitag, den 13. April 2029, um 30.000 Kilometer verfehlen, aber im Weltall lauern ja noch weit mehr tödliche Geschosse. Laut den Berechnungen der 2004 gegründeten Holocene Impact Working Group erfolgte in der jüngeren erdgeschichtlichen Vergangenheit etwa alle tausend Jahre ein größerer Einschlag mit der Wirkung einer Zehn-Megatonnen-Atombombe.

Die Folgen hiervon seien unter anderem im Jordantal beim Krater Dschabal Waqf as-Suwwan sowie auf Madagaskar und in Australien zu sehen. Darüber hinaus sollen 1490 bei einem kleineren Impakt in China etwa 10.000 Menschen getötet worden sein. Die nächste Kollision mit einem kosmischen Objekt wird also irgendwann bevorstehen – und dann sollte die Menschheit in der Lage sein, den Boten aus dem All von seinem Kurs abzubringen, bevor er unseren Heimatplaneten in eine echte Klimakatastrophe stürzt.

Informationsportal zu Impaktstrukturen: www.impaktstrukturen.de

 

Meteoriten und Impaktstrukturen

Impaktstrukturen sind in der Regel kraterförmig, aber nur jüngere Einschlagkrater fallen als solche ins Auge. Die älteren Zeugen eines Impaktes verschwanden im Laufe der Erdgeschichte unter dicken Sedimentschichten oder fielen der Verwitterung anheim. Derartige Strukturen werden meist zufällig im Rahmen von Bohrungen oder geophysikalischen Messungen entdeckt, so wie etwa die Maniitsoq-Struktur in Südwestgrönland, welche 20 bis 25 Kilometer unter der Erdoberfläche liegt und bereits vor drei Milliarden Jahren entstand. Weitere typische Anzeichen eines Impaktes sind durch Schockmetamorphose oder Hitze veränderte Gesteine. Da die Erdoberfläche zu 71 Prozent mit Wasser bedeckt ist, dürften sich zahlreiche weitere Impaktstrukturen auf dem Meeresgrund befinden. Ein Indiz für Einschläge ins Wasser sind die Chevrons, das heißt charakteristische hohe Sedimentablagerungen an bestimmten Küstenabschnitten infolge der Mega-Tsunamis, welche dem Aufprall folgten.

Berechnung von Einschlagskratern: simulator.down2earth.eu

Foto: Schäden durch Meteoritenschauer im südrussischen Gebiet Tscheljabinsk: Dort hat sich die Sprengkraft einer Atombombe entladen

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