© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Milliardär mischt Wahlkampf auf
Wahlen in Kärnten und Niederösterreich: ÖVP und SPÖ drohen hohe Verluste / FPÖ wetteifert mit Stronach
Reinhard Liesing

Niederösterreich und Kärnten läuten mit der Wahl am 3. März das „Superwahljahr 2013“ in Österreich ein. Mehr als bei den darauffolgenden Landtagswahlen in Tirol (28. April) und in Salzburg (5. Mai) haben die Wählervoten entlang der Donau sowie am Fuße der Karawanken für die am 29. September stattfindende Nationalratswahl Signalwirkung.

Im „schwarzen Stammland“ kämpft Erwin Pröll („Erwinator“), der 1992 an die Macht kam und seitdem als „starker Mann der ÖVP“ gilt, um die seit 2003 gehaltene absolute Mehrheit. 2008 hatte er sie um 1,1 Prozentpunkte auf 54,4 Prozent der Stimmen ausbauen können. Dieses „Traumergebnis“ wird er am 3. März zwar nicht mehr erreichen, gleichwohl stellen ihm die Demoskopen den Erhalt der absoluten Mandatsmehrheit im St. Pöltner Landtag in Aussicht.

Der omnipräsente Pröll – er hat im Laufe seiner Amtszeit „praktisch jedem der 1,6 Millionen Niederösterreicher die Hand geschüttelt“ – kann, so es eintrifft, zum Ende seiner politischen Laufbahn dennoch mit diesem Ergebnis zufrieden sein. Wie im Bundesland Salzburg, wo derlei erstmals ruchbar und damit öffentlichkeitsrelevant wurde, weshalb dort der Landtag vorzeitig gewählt wird, ist auch Geld aus der St. Pöltner Landeskasse verlustreich angelegt und dabei sprichwörtlich „verzockt“ worden. Pröll und – sein maßgeblich dafür verantwortlicher – Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka stellen dies, vor allem das in den Medien kursierende Verlustvolumen von einer Milliarde Euro, in Abrede, kratzt auch am Image des fürsorglichen Landesvaters.

Der „Skandal“ würde für gewöhnlich die oppositionellen Freiheitlichen, die unter dem Motto „Grenzen sichern, Kriminalität stoppen, Familien stärken, Finanzen ordnen, Demokratie ernst nehmen“ antreten, begünstigen. Doch die FPÖ unter Führung von Barbara Rosenkranz tritt trotz regen Wahlkampfauftritts von Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache in Niederösterreich auf der Stelle. Die Demoskopie verheißt ihr allenfalls elf (2008: 10,5) Prozent. Rosenkranz führt die Landespartei seit dem Wahldesaster von 2003 (4,5 Prozent) und konnte sie – nach Abspaltung des BZÖ 2005 – stabilisieren.

Doch vom ÖVP-Verlust wird eben nicht sie, sondern vornehmlich das „Team Stronach“ profitieren, das für „Weniger Parteipolitik“, „Abbau der aufgeblasenen Verwaltung“, „Vereinfachung des Steuersystems“ und den Kampf gegen „Zentralismus und Zwangsverwaltung aus Brüssel“ eintritt. Der austrokanadische Milliardär Frank Stronach (JF 46/12) tritt persönlich als Listenführer an und erzielt laut Umfragen auf Anhieb acht Prozent der Stimmen.

Weit spannender als der Wahlausgang in Niederösterreich ist indes, was in Kärnten herauskommt. Denn dort ist seit deren mehrfacher Häutung eine gänzlich neue Ausgangslage entstanden. Im November 1955 wurde in Kagenfurt die FPÖ ins Leben gerufen. Im ihrem „Stammland“ erzielte die 1955 aus dem „Verband der Unabhängigen“ (VdU) hervorgegangene FPÖ als Partei des nationalfreiheitlichen Dritten Lagers stets die besten Ergebnisse aller Bundesländer. Vor allem nachdem Jörg Haider 1986 den Vorsitz übernommen hatte, setzte ein enormer Zulauf ein: schon 1989 konnte er 29 Prozent erringen, damit die seit 1945 regierende SPÖ schlagen und mit Hilfe der ÖVP Kärntner Landeshauptmann werden. Zum zweiten Mal errang er bei 42,1 Stimmenprozenten 1999 diese Position. Eine Bestätigung gab es 2004 mit 42,4 Prozent. Infolge ideologischen Streits und persönlicher Zerwürfnisse gründete Haider im April 2005 das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), woraufhin sich die „Freiheitlichen in Kärnten“ von der FPÖ trennten, in der Nationalratswahl 2008 mit Spitzenkandidat Haider gegen diese und ihren Vorsitzenden Strache antraten und knapp 11 Prozent erzielten.

Nach Haiders Unfalltod im Oktober 2008 übernahm Uwe Scheuch das Kärntner BZÖ, das in der darauf folgenden Landtagswahl im März 2009 knapp 45 Prozent erhielt und Gerhard Dörfler zum Landeshauptmann wählte. Die „Freiheitlichen in Kärnten“ blieben aber nicht lange BZÖ-Landesverband, sondern kehrten im Dezember 2009 als Freiheitliche Partei Kärntens (FPK) unter das Dach der Bundes-FPÖ zurück,

Die FPK tritt damit zum dritten Mal unter jeweils anderen Namen an. Auf ihr lasten Hypotheken: Der unter Haider erfolgte Verkauf der Hypo Alpe-Adria-Bank hatte dem Land zwar viel Geld in die klamme Kasse gespült, die Haftungen für Engagements auf dem Balkan blieben ihm aber erhalten, weshalb das aufgrund von Milliardenverlusten von Pleite bedrohte Institut nur durch eine Notverstaatlichung gerettet werden konnte. Die rechtskräftige Verurteilung wegen Korruption – und der damit verbundene Rücktritt – Uwe Scheuchs, dem Bruder Kurt nachfolgte, sowie das Auffliegen eines Skandals, in den zwar Haider sowie der verurteilte ÖVP-Landeschef Josef Martinz verwickelt waren, haben das FPK-Bild erheblich verdüstert.

Laut Gallup-Umfrage kann die FPK nur noch mit 26 Prozent rechnen. Sie würde damit von der seit 1989 von der Macht verdrängten SPÖ überflügelt, der 31 Prozent und damit die Einnahme des Landeshauptmannsessels vorausgesagt werden. Dahinter liegen drei Parteien Kopf an Kopf: Die ÖVP wird laut Demoskopie auf 13 (minus vier) Prozent abstürzen, die Grünen werden mit zwölf (plus fünf) weniger zulegen als sie erwarten, und Stronach dürfte auf Anhieb 11 Prozent erringen können.

Die Ergebnisse in Niederösterreich und Kärnten haben Fernwirkung auf die Herbstwahl in Österreich. Kann er die absolute Mehrheit erhalten, tanzt die ÖVP künftig noch stärker nach Prölls Pfeife und stärkt damit die Position des Vizekanzlers und Bundesparteiobmanns Michael Spindelegger im Bund. Verliert er sie und tritt ab, ist Spindelegger schwer angeschlagen und die ÖVP gelähmt. Erringt die SPÖ in Kärnten trotz günstiger Umfragen nicht die relative Mehrheit, fällt sie in Depression. Schafft der „rote“ Kaiser in Kärnten den Erdrutsch und schickt Dörfler in Pension, so ist das auch ein Sieg für Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann. Ähnliches gilt für die bis dato erfolgsverwöhnte FPÖ. Dagegen wird Polit-Milliardär Stronach „Kult“, wenn er in beiden Bundesländern mehr als zehn Prozent einfährt. Ergebnisse darunter ließen ihn als „Schwachmaten“ erscheinen – dem es aber trotzdem gelingt, sich vor allem auf Kosten der FPÖ zu etablieren.

Foto: Wahlkampf in Kärnten: Der bisherige freiheitliche Landeshauptmann Gerhard Dörfler steht unter Druck

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