© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Keine Mehrheit für Brüssel-Freunde
Italien-Wahl: Linke und Monti erreichen 40 Prozent / Berlusconi zurück / Grillo-Bewegung dritte Kraft
Paola Bernardi

Bis zum Morgengrauen wurde ausgezählt: Neue Hoffnungen und neue Enttäuschungen mußten immer wieder begraben werden. Dann stand das Endergebnis dieser Parlamentswahlen in Italien endgültig fest. Nach diesem Resultat gibt es keine klaren Sieger und Gewinner – aber auch keine klare Regierung. Italien ist politisch in der Sackgasse gelandet.

Vor allem die linken Wähler konnten es nicht fassen, was sich auf den Bildschirmen der Fernsehstudios aufbaute: Nämlich, daß die Links-Koalition unter ihrem Chef Pier Luigi Bersani nur hauchdünn im Parlament gesiegt hatte, während im Senat das Rechtsbündnis unter Silvio Berlusconi eine knappe relative Mehrheit erlang.

Dabei hatten viele in und außerhalb Italiens inständig gehofft, daß dieses Mal der linke Spitzenkandidat, der 61jährige Postkommunist Bersani, der das Sammelbecken von Linken, Ökologen und Linkskatholiken anführt, in den Palazzo Chigi einziehen würde. Über 36 Prozent waren der Linkskoalition vorausgesagt worden, sie galt als klarer Favorit und landeten nur bei 29,5 Prozent – und das nur dank der 146.804 Stimmen für die verbündete Südtiroler Volkspartei (SVP/5 Sitze). Ohne die SVP hätte erneut Silvio Berlusconis Rechtskoalition das Rennen gemacht. Längst totgesagt, jubelte er in der Wahlnacht: „Wir leben noch.“ Nur einen Wimpernschlag von weniger als 0,4 Prozent trennte ihn vom automatischen Mehrheitsbonus, der zu exakt 340 Kammersitzen führt.

Dabei schien die Gefolgschaft des Cavaliere zeitweilig eher entmutigt in diesem Wahlkampf. Tägliche Angriffe auf die Person Berlusconis, nicht nur durch die italienischen und ausländischen Medien, sondern auch durch Politiker aus Brüssel und Berlin, zermürbten sie. Doch der 76jährige Medienzar und mehrmalige Ministerpräsident gab trotz seines Alters und seiner Skandale nicht auf. Er entpuppte sich wieder als wahres Werbegenie und Volkstribun, der die Massen mitriß, wo immer er auftrat und sie mit Wahlversprechen köderte.

Es wird sehr schwierig sein, das Land an ihm vorbeizuregieren. Berlusconi wird immer wieder aktiv in die italienische Politik eingreifen. Seine Koalition, an der erneut die Euro-kritische Lega Nord teilnahm (sie trat nur in Nord­italien und erhält für 1,4 Million Stimmen 18 Kammer- und 17 Senatssitze), erzielte nicht nur in der traditionellen Hochburg Lombardei, sondern auch in anderen wichtigen Regionen wie Venetien, Kampanien, Kalabrien, Apulien oder Sizilien die relative Stimmenmehrheit und konnte damit für den Senat eine hauchdünne relative Mehrheit erzielen.

Senkrechtstarter bei diesen vorgezogenen Neuwahlen ist jedoch mit 25,5 Prozent die erst 2009 gegründete Bewegung Fünf Sterne von Beppe Grillo. Der Schauspieler, Komiker und Blogger Grillo ist der eigentliche Triumphator dieses Urnenganges. Aus dem Stand ist seine Protestinitiative zur dritten Kraft Italiens geworden. Die zahlreiche Schar seiner neugewählten Parlamentarier – meistens junge und oft weibliche, aber auch unerfahrene Volksvertreter – lassen viele Fragen über ihr künftiges Verhalten im Parlament offen. Noch jubeln sie. „Endlich hat die wahre Demokratie gewonnen“, so der 45jährige Professor Eduardo W., ein „Prekario“, der bislang nie eine feste Anstellung hatte.

Nach dieser Wahl ist Italien erstmals von einem nie dagewesenen Tri-Polarismus geprägt, nachdem zwei Jahrzehnte der Bi-Polarismus herrschte. Es gibt praktisch drei Wahlblöcke – linke Mitte, rechte Mitte und Grillos junge Anti-System-Bewegung.

Dazwischen wurde Mario Monti, der sich als „Retter der Nation“ sieht, mit 10,5 Prozent zerrieben. Der von Brüssel und Berlin hofierte Wirtschaftsprofessor und Ex-EU-Kommissar, der bis zu seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten Goldman-Sachs-Berater war, wird zwar als unerläßliche Stütze der Euro-Zone angesehen. Doch durch seine Spar-und Steuerpolitik, die viele für die Rezession und hohe Arbeitslosigkeit im Land verantwortlich machen, hat er sich dieses Ergebnis selbst zuzuschreiben. Abgestraft wurden auch Montis zwei Bündnispartner: Pierfernando Casinis konservative Christdemokraten (UDC) kommen mit 1,8 Prozent nur auf acht Kammersitze. Noch ärger trifft es die von der Berlusconi-Bewegung abgespaltene „Futuro e Libertà“-Partei (FLI) des vom Postfaschisten zum modernen Linksliberalen gewendeten Gianfranco Fini, die sich mit italienweit 0,5 Prozent als Splitterpartei erwies.

Fini landete damit auf Augenhöhe rechter Kleinparteien wie Forza Nuova, Casapound Italia oder Fiamma Tricolore (ein Nachfolger von Finis Ursprungspartei MSI), die zusammen mehr Wähler anzogen als seine FLI. Auch die Südtiroler Freiheitlichen, die keinem Wahlbündnis beitraten, erhalten trotz ihrer 15,9 Prozent in Südtirol keinen Sitz.

Foto: Monti vor Berlusconi-Leinwand: Trotz Mehrheitsbonus für die Linke fehlen Bersani im Senat Stimmen

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