© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Abenteuerlich und realitätsfremd
Euro-Krise II: Die Beratungsfirma PwC und das Institut HWWI fordern eine Fiskal- und Sozialunion mit EU-Arbeitslosenversicherung
Bernd-Thomas Ramb

Im Auftrag der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Price Waterhouse Coopers (PwC) hat das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) eine Studie über „Chancen und Risiken einer Fiskalunion“ erstellt, in der für Umverteilung innerhalb der Euro-Zone geworben wird. Die Kooperation zwischen dem kommerziell ausgerichteten HWWI und der PwC hat Tradition. Ausdrücklich benennt das Institut aber auch die EU als einen seiner Kunden. Unabhängig von dieser problematischen Konstellation, die eine neutrale Untersuchung der Chancen und Risiken einer Fiskalunion erschwert, zeigt die Studie auch inhaltlich-wissenschaftliche Schwächen.

Anfangs wird die Grundproblematik durchaus exakt dargestellt. Unmittelbar darauf werden jedoch politische Werturteile vorgegeben, die zu einer erheblichen Einengung der weiteren Analyse führen – die Ergebnisse letztlich präjudizieren. Die Forscher wissen um den Zielkonflikt, der innerhalb der EU besteht: Zum einen soll die Einheitswährung Euro im Gesamtgebiet der 17 beteiligten Staaten erhalten werden. Zum anderen soll verhindert werden, daß durch die ungleichen wirtschaftlichen Gegebenheiten in den Teilnehmerstaaten fiskalische Verwerfungen entstehen. Weil die ungleiche Wirtschaftsstärke nicht mehr durch Wechselkursanpassungen ausgeglichen werden kann, wird eine Erhöhung der staatlichen Transferleistungen notwendig, die nur über Schuldenaufnahme finanziert werden kann.

Dieses Dilemma läßt sich nur lösen, wenn die einzelstaatlichen Transferleistungen von der Währungsgemeinschaft gemeinsam finanziert werden. Die Hamburger Forscher kennen also den logischen Umkehrschluß, daß dieser Staatenfinanzausgleich, der mit dem Länderfinanzausgleich innerhalb Deutschlands vergleichbar ist, nur vermieden werden kann, wenn entweder der Schuldenanstieg in den betroffen Staaten akzeptiert oder die gemeinsame Währung aufgegeben wird. Beides schließen sie von vorneherein aus, so daß nur eine Lösungsvariante zugelassen wird: der Finanzausgleich innerhalb der Euro-Länder.

Die HWWI-Analyse sieht die Hauptaufgabe dieses Finanzausgleichs in der Sicherung der Mindesteinkommen und bei der Finanzierung der Arbeitslosigkeit. Konkret wird daher die Einführung einer gemeinsamen Einkommensteuer vorgeschlagen und ein eurolandweiter Aufschlag auf die bestehenden Arbeitslosenversicherungen empfohlen. Dabei errechnet das HWWI in seinen Umverteilungsmodellen Zahlungsbeträge, die schon bei aktueller Sicht eine politische Realisierung praktisch unmöglich machen. So würde die umzuverteilende Einkommensteuer für Deutschland zu einer Mehrbelastung der Steuerzahler von 29,1 Milliarden Euro führen.

Das bereits jetzt wirtschaftlich notleidende Frankreich müßte 13,6 Milliarden einzahlen, und ob es den Niederlanden (11,1), Österreich (4,6) und Finnland (2,5) wirtschaftlich so gut geht, daß sie solche Milliardenbeträge zusätzlich aufbringen können, bleibt fraglich. Selbst Irland müßte noch einzahlen, um Portugal mit 10,7 Milliarden Euro fast zehn Prozent des portugiesischen Inlandsprodukts zuzuschanzen und für die Griechen zusätzlich 9,4 Milliarden Euro Sozialhilfe zu leisten. Abenteuerlich realitätsfern wirken auch die Vorschläge zu einer EU-Arbeitslosenversicherung. Empfänger bei diesem zweiten Umverteilungssystem wären neben den bekannten Staatspleitekandidaten Griechenland, Irland, Portugal und Spanien nun zusätzlich die Slowakei und Estland. Zugunsten dieser Staaten müßten dagegen nicht nur Deutschland, sondern auch in Italien und in Frankreich mit 8,4 bzw. 9,6 Prozent Arbeitslosigkeit zusätzliche Einnahmen bei der Arbeitslosenversicherung eingetrieben werden. Wie politisch realitätsfern kann eine von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verantwortete Analyse mit solchen Vorschlägen noch sein?

Angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Krisensituation in zahlreichen EU-Ländern, die hier zur Bezahlung der Euro-Sozialunion herangezogen werden, erscheint die wissenschaftliche Expertise nur noch als akademische Traumtänzerei. Oder sollte mit der Absurdität der Ergebnisse indirekt von der Euro-Sozialunion abgeraten werden?

Die Studie „Chancen und Risiken einer Fiskal­union“ von PwC und HWWI: pwc.de

Foto: Warteschlange vor Arbeitsamt in Madrid: Weitere Milliardentransfers aus Deutschland, Österreich oder Finnland in den kriselnden EU-Süden?

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