© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Die Sexismusdebatte, die keine war
Studie: Sage und schreibe 0,1 Prozent der Deutschen haben sich an der #Aufschrei-Twitterdiskussion beteiligt
Toni Roidl

Im Nachhall der Brüderle-Hysterie rief die Bloggerin Anne Wizorek am 24. Januar alle Frauen auf, ihre „Erfahrungen mit Alltagssexismus“ unter dem Stichwort #aufschrei bei Twitter zu sammeln. Bis zu 90.000 Nachrichten strömten in einer Woche zusammen. Die Presse feierte dieses Ereignis als „Twitter-Rekord“ (Stern) und „Neue Qualität in der Debatte um Gleichberechtigung“ (Frankfurter Rundschau).

Die Rosenheimer Marketingagentur Online-Software-Development hat die Aktion analysiert und ist zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. Untersucht wurde, wie viele Beiträge themenrelevant waren und ob tatsächlich eine echte Debatte stattfand.

Die Auswertung: 0,11 Prozent aller Deutschen haben sich beteiligt. 32,5 Prozent davon lieferten feministische Kommentare, 27 Prozent hingegen antifeministische. Der Rest war unverständlich oder Werbemüll. Gerade mal 1,5 Prozent lieferten relevante Diskussionsbeiträge.

Das entspricht circa 1.350 ernsthaften Teilnehmern. Die Urheber der Untersuchung kommentieren: „Wie die deutschen Medien sich in Superlativen ergehen können, bleibt für uns ein Rätsel. Alle Tweets im Sinne des #aufschreis zu werten, ist, als würde man bei einem Pokalspiel des FC-Bayern gegen einen Drittliga-Verein alle Zuschauer als Fans des Drittligisten werten.“

Bei der qualitativen Betrachtung der Inhalte zeigte sich, daß viele Beiträge Nonsens waren oder persönliche Beleidigungen. Die Aktion hat neben Feministinnen eine erhebliche Anzahl von Antifeministen aktiviert und beide Lager einfach nur konfrontativ aufeinanderprallen lassen.

Fazit: „Man kann den #aufschrei beim besten Willen nicht als ‘inhaltliche Diskussion’ bezeichnen.“ Dies läßt für die Experten nur den Schluß zu, „daß die Funktionsweise der Socialmedia von Teilen der Medienlandschaft noch nicht verstanden wurde“. Und damit sind keine Lokalblätter gemeint, sondern „Qualitätsmedien“.

#Aufschrei. Analyse einer Twitteraktion

www.online-software-development.de

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