© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Der Antrieb von morgen
Automobilingenieure forschen an Alternativen zum Elektroantrieb / Diesel mit hohem Entwicklungspotential
Christian Bartsch

Manche wollten es nicht glauben, was im Februar aus Ingolstadt zu hören war: Audi verabschiedet sich von seinen hochfliegenden Elektroautoplänen. Weder der Sportwagen R8 e-tron noch der vollelektrifizierte Kleinwagen A2, der 2011 mit großem Tamtam auf der Frankfurter Automesse IAA präsentiert wurde, sollen in Serie gebaut werden. Beide Projekte seien „eingefroren“, sagte ein Firmensprecher dem Donaukurier. Es gebe „momentan keine weitere Entwicklung zu einem marktfähigen Auto“. Ebenfalls „keine Serienentscheidung“ gebe es für den Kleinwagen Audi A1 e-tron.

Dabei hatte Angela Merkel vor vier Jahren ihre Vision verkündet, daß bis 2020 eine Million Elektroautos über deutsche Straßen rollen sollen. Barack Obama legte 2011 in seiner Rede zur Lage der Nation an Tempo zu und versprach, die USA würden schon 2015 mit einer Million „electric vehicles on the road“ sein. Doch die Elektroauto-Euphorie hat sich in Luft aufgelöst. E-Autos sind trotz diverser Subventionen weiter viel zu teuer, ihre Reichweite ist zu gering (JF 7/13). Die Brände von Lithium-Ionen-Batterien beim überelektrifizierten Dreamliner 787 von Boeing lassen auch die Alarmglocken in den Entwicklungsabteilungen der Autokonzerne klingeln, denn die aufladbaren „Plug-in“-Hybride setzen ebenfalls auf die brandgefährliche Lithium-Technik. Zudem benötigen sie weiterhin für 90 Prozent der Fahrtstrecke einen Verbrennungsmotor. Was spart man da an Kraftstoff? Zwei Antriebe im Auto plus Batterie sind aufwendig und schwer, die Verbrauchsdifferenz zum modernen Diesel wird immer geringer. Für die Massenmotorierung bleibt der Verbrennungsmotor – was sonst?

Das wurde auch bei einer Tagung der Fachzeitschrift MTZ bestätigt, die in der AutoUni von VW in Wolfsburg stattfand. Der Heilsbringer Hybrid kommt trotz Toyotas Marktnischenerfolgen in Japan und Kalifornien nur schleppend voran. Vom „Range Extender“ (Reichweitenverlängerer), der einen kleinen Verbrennungsmotor zum Aufladen mit einem Elektroantrieb kombiniert, gibt es mehrere Versuchswagen, die sich gut fahren lassen. Aber serienmäßig gebaut wird – bis auf die teuren Zwillinge Opel Ampera/Chevrolet Volt – noch keiner. Und zu welchen Kosten wird die Verbrauchssenkung erkauft? Otto- und Dieselmotor bergen dagegen noch genügend Entwicklungspotential, wobei der Diesel die Nase vorn hat – wenn die Politik vom Biosprit-Zwang Abschied nimmt. Derzeit sind sieben Prozent „Biodiesel“ (RME/FAME) vorgeschrieben – dabei böte die Entwicklung von höherwertigem Dieselkraftstoff das höchste Verbrauchssenkungspotential.

Weltweit laufen Millionen von Dieselmotoren unter erbärmlichen Umweltbedingungen und mit einer Brühe, die man nicht als Kraftstoff bezeichnen kann. Niemand interessiert sich dafür, was sie verbrauchen, wie lange sie halten und welche Abgase sie ausstoßen. Nicht einmal in den USA ist es bisher gelungen, landesweit für einen einheitlichen Dieselkraftstoff zu sorgen. In China gibt es geradezu groteske Unterschiede zwischen Stadt und Land, von anderen Weltregionen ganz zu schweigen.

Vor 20 Jahren begann Shell in Malaysia mit der Herstellung von GTL (Gas to Liquid) aus Erdgas. Parallel dazu entwickelte die sächsische Choren ein Verfahren, um einen gleichwertigen Kraftstoff vorzugsweise aus Biomasse (BTL/Biomass to Liquid) herzustellen. Nach dem gleichen Verfahren können als Ausgangsstoffe auch Kohle, CO2, Hausmüll und andere organische Substanzen verwendet werden, so daß man die ganze Gruppe XTL nennt. Die Endstufe ist in allen Fällen die Fischer-Tropsch-Synthese, die für eine einheitliche, hochwertige Qualität sorgt (JF 45/12). Choren, Daimler, Shell und VW haben in zahlreichen Versuchen nachgewiesen, daß mit XTL die Schadstoffgruppen Kohlenmonoxid, unverbrannte Kohlenwasserstoffe und Ruß dramatisch abnehmen – ohne jede Änderung am Motor. Damit könnte die Luftqualität so verbessert werden wie mit keiner anderen Maßnahme. Diese Kraftstoffe verbessern die Verbrennung und erlauben eine Weiterentwicklung des Diesels zu noch niedrigerem Verbrauch.

Da XTL in jedem Verhältnis mit Erdöldiesel mischbar ist, verbessern bereits kleine Zumischmengen die Schadstoffbilanz. Nur die Stickoxidemission kann etwas ansteigen, doch das läßt sich mit dem SCR-System aus dem Abgas entfernen. Schon heute verbraucht ein neuer 1,6-Liter-Dieselmotor im Normfahrzyklus NEFZ nur 3,2 Liter auf 100 Kilometer. Mit XTL könnte die Dreilitergrenze bald fallen – ohne jede Einschränkung der Fahrbarkeit.

Die Dieselexperten in der Automobilindustrie wissen um die Auswirkungen der Kraftstoffqualität auf ihre Motoren. Darum wird an elektrifizierten Antrieben nicht mit überschäumender Begeisterung gearbeitet. Was läßt sich mit einem Hybrid noch sparen, wenn der Diesel nur noch 2,8 oder drei Liter verbraucht? Selbst der „Range Extender“ verliert seine Berechtigung. In der Praxis liegen alle Realverbrauchswerte zwar höher als im NEFZ-Test, aber das gilt für alle Antriebe. Mit XTL könnte der Verbrauch um 15 Prozent sinken.

Allein angesichts der hohen Tankstellenpreise setzen die Motoreningenieure alles daran, alle Details der Motoren zu optimieren. Dieser Aufgabe waren die meisten der Vorträge in Wolfsburg gewidmet – dazu braucht es keine politischen Vorgaben, die äußerst selten von Fachkenntnis getrübt sind. Die Politik sollte sich besser Alexander von Humboldt erinnern: „Der Staat muß sich jederzeit bewußt bleiben, daß er immer hinderlich ist, sobald er sich hineinmischt, daß die Sache ohne ihn unendlich besser gehen würde.“

MTZ – Motortechnische Zeitschrift: www.atzonline.de/

 

Deutsche Zulassungszahlen

Markus Lienkamp, Ordinarius für Fahrzeugtechnik an der TU München, ist Inhaber von über zwei Dutzend Patenten. Er war maßgeblich am Bau des MUTE-Elektrominis beteiligt. Dennoch sieht er in Elektro- oder Hybridfahrzeugen keinen Ersatz für herkömmliche Pkw. E-Mobile seien aber ideal für Kurzstreckenverkehre sowie Post- und Lieferdienste mit vielen Start-Stopp-Vorgängen, erklärte Lienkamp im Bildungskanal BR-alpha. Die aktuellen Zulassungszahlen sind noch ernüchternder: Am 1. Januar 2013 gab es in Deutschland 43,4 Millionen Pkw – nur 7.114 davon waren E-Autos und 64.995 Hybride. 2012 wurden 3,08 Millionen Pkw neu zugelassen, 48,2 Prozent davon waren Diesel, aber nur 2.956 (weniger als 0,1 Prozent) waren E-Mobile und 21.438 (0,7 Prozent) Hybridautos. Mit 240.700 Stück wurden Golf-Modelle erneut Zulassungssieger, auch acht weitere Segmente waren vom VW-Konzern dominiert. Bei Sportwagen und Minivans führt Mercedes, bei Wohnmobilen die Fiat-Ducato-Basis.

MUTE-Projekt der TU München: www.mute-automobile.de

Foto: Diesel als Hochleistungskraftstoff der Zukunft: Fast 1,5 Millionen Neufahrzeuge waren Selbstzünder, nur 2.956 hatten einen Elektromotor

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