© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Der verlorene Sohn kehrt heim
Billy Six: Bewegende Szenen bei der Ankunft und Begrüßung des aus syrischer Haft entlassenen JF-Reporters
Henning Hoffgaard

Lufthansa Flug 3485. Um Punkt 7.38 Uhr setzte die Maschine am Mittwoch vergangener Woche auf dem Flughafen Tegel auf. Direktflug aus der libanesischen Hauptstadt Beirut. Die Passagierkontrolle dauert etwas länger. Die Eltern von JF-Reporter Billy Six warten schon einige Zeit auf die Ankunft ihres Sohnes. Dann endlich ist es soweit. In Jogginghose und einem weiten blauen Pullover läuft er aus dem Ankunfstbereich. Nach zwölf Wochen in syrischer Haft endlich wieder zu Hause. Six fällt auf die Knie und küßt den Boden von Terminal 18. Deutschland. Es wirkt ein bißchen so, als begreift er erst jetzt, daß seine Zeit in Händen der Assad-Regierung vorbei ist. Er fällt seinem Vater in die Arme. Dann seiner Mutter. Ute Six ist überglücklich. Sie hat die Hoffnung nie aufgegeben. Die ebenfalls anwesende Großmutter weint vor Freude. Es sind bewegende Szenen.

„Herzlich willkommen, Billy Six“ steht auf einem Banner, das JF-Chefredakteur Dieter Stein noch am Abend zuvor anfertigen ließ. Zu diesem Zeitpunkt ist die Haftentlassung nicht einmal 24 Stunden her. Vater Edward Six hat eine Packung Würstchen dabei. Nach wochenlanger eher eintöniger Kost mit Fladenbrot und ein paar Oliven endlich wieder etwas Herzhaftes. Zeit zum Essen bleibt jedoch kaum.

Wenige Kilometer weiter warten die Journalisten im Haus der Bundespressekonferenz, in Sichtweite zum Kanzleramt, auf den Reporter. Zuerst bedankt sich der JF-Chefredakteur bei bei den deutschen und russischen Behörden, die an der Freilassung maßgeblich mitgewirkt haben. Daneben hatten auch zahlreiche Journalisten anderer Zeitungen geholfen, nach Six zu fahnden. Der hat sich inzwischen umgezogen. Die Journalisten begrüßt er auf arabisch. „Friede sei mit euch!“ Dann schildert er seine Zeit im Gefängnis (siehe Interview Seite 4–5). Six spricht ruhig. Es wirkt fast so, als spräche er von fernen Zeiten. Immer wieder fragen die Journalisten nach, wollen mehr Details wissen. Er schildert die letzten Stunden im Kerker Assads. Am Ende ging alles ganz schnell in Damaskus. Die Tür geht auf. Plötzlich steht der 26jährige im Scheinwerferlicht vor einer riesigen Zahl arabisch beschrifteter Mikrophone. Neben ihm der stellvertretende syrische Außenminister Faisal Mukdad. Auf der anderen Seite der russische Botschafter Azmatullah Kulmohammadov. Im Hintergrund ein riesiges Porträt von Staatschef Baschar al-Assad. Es ist eine Propagandaveranstaltung.

Die Freilassung war erst auf Vermittlung der Regierung in Moskau erfolgt. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik hatte Rußland zuvor gebeten, auf Syrien einzuwirken. Was dann hinter den Kulissen passierte, wird wohl nie geklärt werden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigt sich erleichtert über die Haftentlassung. „Die Bundesregierung hat sich intensiv darum bemüht, seinen Verbleib aufzuklären und seine Rückkehr zu ermöglichen“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Mehr verraten will die Bundesregierung allerdings nicht. Ob Lösegeld geflossen ist oder Syrien im Gegenzug etwas versprochen wurde, ist unklar.

Auch ohne konkrete Gegenleistung profitiert die syrische Regierung: Sie hat den Reporter freigelassen und die ganze Welt darüber informiert. Das Signal: Mit uns kann man verhandeln, wir sind nicht wie die Islamisten, die mit Gefangenen aus dem Westen in der Regel kurzen Prozeß machen. Rußland spielt derzeit eine Schlüsselrolle bei derartigen Verhandlungen. Es ist eines der letzten Länder, die noch Einfluß auf Assad haben. Damit ist die Regierung in Moskau der erste Ansprechpartner für Länder, die ihre diplomatischen Beziehungen nach Damaskus zurückgefahren haben. Auch die Bundesrepublik hat ihre Botschaft in Syrien geschlossen und zugleich hochrangige syrische Diplomaten ausgewiesen.

Kulmohammadov sagt, die Freilassung zeige Syriens Respekt für ehrlichen und objektiven Journalismus trotz der Verletzung der syrischen Gesetze, die Six vorgeworfen werde. 28,66 Euro haben die deutschen Behörden ihm am Ende als Konsulargebühren in Rechnung gestellt. „Mein Dank an dieser Stelle auch an den deutschen Steuerzahler“, sagt er. Dieser finanziere ein vorbildliches diplomatisches Netz, mit dem sich die Bundesrepublik für Deutsche in Not einsetzen könne. Nun ist es vorbei. Nur seinen Rucksack und Laptop vermißt der 26jährige noch. Beides hatten die syrischen Behörden ihm schon kurz nach der Festnahme abgenommen. Sie bleiben in Syrien. Vorerst jedenfalls.

Video der Pressekonferenz: QR-Code für Handys (mit passender App scannen)

Fotos: Billy Six umarmt seine Mutter: Die ganze Familie begrüßt den JF-Reporter am Flughafen Berlin-Tegel; Dieter Stein und Billy Six während der Pressekonferenz: Dank an die deutschen Behörden

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